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Turntablerocker. Glück meets Können

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Stilistisch kommt ihr beide aus dem HipHop-Bereich, habt euch im Zuge eurer Karriere als Turntablerocker jedoch in eine Richtung weiterentwickelt, die ihr selbst mal als Electronic Wildstyle beschrieben habt. Trifft es das mit der neuen Platte immer noch?
Michi: Für unsere DJ-Sets auf jeden Fall, weil die immer aus einer Mischung verschiedener elektronischer Stile besteht. „Einszwei“ ist aber kein Electronic-Wildstyle-Album, dafür ist es zu poppig. Für mich ist das ein Club-Pop-Album: Opulent und tanzbar. Wir wollten mit der neuen Platte ausbrechen in eine genrefreie Zone. Wir wollten mehr Narrenfreiheit.
Thomilla: Die Leute sind aber auch noch nie zu einer Turntablerocker-Show gekommen, weil sie einen Techno- oder einen HipHop-Act sehen wollten, sondern weil sie wussten, dass wir mit unserer Musik für eine einzigartige Mischung der Stile stehen.  

Man hört auf dem neuen Album auch wieder eure Boogie- und Midtempo-Disco-Wurzeln heraus. Hat diese Rückbesinnung einen bestimmten Grund?
Thomilla: Wenn wir bei unseren Sets Disco-Tracks gespielt haben, hat das häufig für eine Spannung gesorgt, die wir gerne auf der Platte haben wollten.
Michi: Die Basslines, das Tempo, der Groove; auch diese Neill-Rogers-mäßige Rhythmus-Gitarre, die Sattheit der Beats und die High-Strings haben einiges von Disco. Wir wollten aber nicht DIE deutsche Disco-Platte machen, sondern sind lediglich dem gefolgt, was wir können. Eine Zeit lang sind wir sehr stark von Berlin beeinflusst gewesen, weil wir mittlerweile eben seit vielen Jahren hier leben. Irgendwann haben wir uns aber wieder unserer süddeutschen Herangehensweise angenähert und uns auf das besonnen, woher wir kommen: Und das ist immer schon soulful und discoid gewesen.  

Vor allem bei den Vocals habt ihr jedoch neue Wege beschritten: Die neue Platte ist komplett auf deutsch gehalten. Warum?
Michi: Deutsche Texte waren ein Wagnis, weil wir ja ein Club-Album machen wollten. Zu deutschen Texten wird aber nur selten getanzt. Das war ein Balance-Akt, weil man es nicht nur fühlt, sondern auch zuhört. Man soll sich zu den Texten aber nicht zu viele Gedanken machen. Die sollen lediglich zur Musik funktionieren. Wir wollen uns mit dem Album nicht erklären.  

Das klingt nach inhaltsleeren Worthülsen.
Michi: Nein, so ist es nicht. Die Songs sind im Albumzusammenhang irgendwann zu einer Reise durch die Nacht geworden. Es fängt mit einem Beziehungsdrama an, nach dem jemand raus geht und sich wegballert; durch die Clubs zieht, in den Sonnenaufgang tanzt und mit einer Horde Leute ins Hotel geht, um dort noch einmal von vorne anzufangen. Die Platte ist der Soundtrack fürs Nachtleben.  

Außerdem schien es euch wichtig gewesen zu sein, die Club-Tauglichkeit nicht zu verlieren. Worauf muss man da besonders achten?
Thomilla: Der Club-Aspekt hat eher etwas mit dem vermittelten Gefühl auf dem Album zu tun.
Michi: Das Problem ist ja: Von einem reinen Club-Album spielt man als DJ am Ende ja doch nur einen Track, Zuhause hört man es sich aber auch nicht an. Deshalb sollte unsere Platte vornehmlich einen Album-Charakter haben. Die Platte ist zwar clubbig, aber nicht für den Club gemacht.  

Das neue Album ist mit „Einszwei“ betitelt. Ich gehe mal davon aus, dass ihr euch irgendetwas dabei gedacht habt.
Michi: Wir sind eins, zwei Leute.
Thomilla: Wir haben eins, zwei Alben davor gemacht.
Michi: Die Platte kommt 2012 heraus.
Thomilla: Die Platte beinhaltet 12 Titel.
Michi: Die Oktave eines Klaviers hat 12 Tasten.
Thomilla: Die Produktion hat 12 Monate gedauert.
Michi: Die Reise von Track eins bis zwölf umfasst 12 Stunden Real-Zeit.
Thomilla: Auch unser Miteinander wird durch „einszwei“ mit wenigen Worten gut zusammengefasst.
Michi: Außerdem wollten wir einen deutschen Titel haben, der auch international verständlich ist.

Mit „d.w.i.e.s. (Die Welt ist eine Scheibe)“ gibt es zudem einen Song auf dem Album über sogenannte DJs, die bloß noch mit Mp3s auflegen und ein bisschen an Knöpfchen herumdrehen. Ihr scheint hinsichtlich eurer DJ-Berufsethik demnach Traditionalisten zu sein.
Michi: Wir waren eines der ersten DJ-Teams, die mit Final Scratch gearbeitet haben und spielen demnach auch Mp3s. Aber wir legen mit Timecode-Vinyls auf, weil wir die Kunst des Ineinandermischens als einen wichtigen Teil der DJ-Kultur ansehen.
Thomilla: Wir sind mechanische Digital-DJs.  

Was macht denn einen guten DJ aus?
Michi: Geschmack, Dramaturgie und Technik. Man braucht ein Verständnis für die Kultur, das Miteinander mit den Leuten, eine Eigenständigkeit, die einen definiert und – wie gesagt – die entsprechende Technik.  

Wenn ihr lediglich drei Worte nennen dürftet, um einen durchschnittlichen DJ-Gig von euch zu beschreiben, welche würdet ihr wählen?
Michi: Pingpong. Wildstyle. Energetisch.  

Auf dem Album ist auch eine Cover-Version enthalten, und zwar vom Spliff-Stück „Déjà Vu“. Warum ausgerechnet dieser Song?
Michi: Der Track hat mich als Teenager total weggefegt. Ich weiß bis heute nicht, worum es darin geht, weil er inhaltlich schwankt zwischen LSD-Trip und Traum. Aber es gibt Begrifflichkeiten wie „Der rote Hugo hängt tot im Seil, die Leiche stinkt nach Shit“, die bei mir über die Jahre hängen geblieben sind. Der passt mit seinen stroboskop-ähnlichen Eindrücken einfach wunderbar in den verstrahlten Nacht-Kontext der Platte.

In dem Song gibt es die Zeile: „So schreib' dein Leben auf ein Stück Papier und warte bis die Zeit vergeht.“ Wenn ihr eure bisherige Turntablerocker-Laufbahn auf ein Stück Papier schreiben solltet, was stünde drauf?
Michi: Oje, das ist schwer. Wir legen bereits seit 1994 zusammen auf, und die Zeit vergeht wahnsinnig schnell mit dem, was wir machen. Und ich bin unglaublich dankbar dafür. Insofern stünde auf diesem Zettel vielleicht so etwas wie: Glück meets Können.

Das Album "Einszwei" von Turntablerocker erscheint am 30.03. bei Universal.

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