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Hast du schon Salz drin?

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Einmal haben wir einen Gutschein für einen Partner-Kochkurs geschenkt bekommen. Zwei Termine ließen wir verstreichen, zum letztmöglichen meldeten wir uns an. Es war ein warmer Samstagnachmittag im Mai und wir standen im Kochstudio eines Münchner Edel-Kaufhauses, zusammen mit sechs anderen Paaren Anfang dreißig. Die hatten im Gegensatz zu uns noch nie etwas anderes gekocht als Nudeln mit Soße und waren sehr motiviert, was diese neue Challenge in ihrem Zusammenleben anging. Eifrig nickend lauschten sie dem Koch und machten sich im Team an die Arbeit, meist hatte sie genau zugehört und soufflierte ihm, während er mit dem Filetiermesser im Zander rummetzgerte.

Nach vier Stunden Kochkurs hatte sich nicht nur der Eifer abgekühlt, es wurden auch etliche der angereisten Schatzis in ganz neuem Licht betrachtet, weil sie sich bei den einfachsten Arbeiten anstellten wie Hornochsen. Meine Freundin und ich waren als einzige betrunken und gutgelaunt. Seit wir beobachten durften, wie ein Typ das Vanillemark, das seine Freundin gerade erst mühsam aus der Schote gekratzt hatte, mit einem Küchentuch abwischte und in den Mülleimer beförderte, kamen wir aus dem Kichern nicht mehr raus. Erst hinterher ist uns aufgefallen: Dieser komische Nachmittag war eigentlich das schönste gemeinsame Kocherlebnis, das wir je hatten. Vielleicht, weil es so viele andere Personen gab, die alles falsch machten und über die man lästern konnte. Daheim wechseln wir uns mit Kochen ab, aber nicht aus irgendeinem Kehrwochen-Prinzip, sondern weil es einfach nicht geht, zusammen zu kochen. Alles andere schaffen wir ganz gut zusammen, sogar im Baumarkt einkaufen. In örtlichen Reiseführern werden wir längst als sehenswertes Denkmal für ewigwährende Harmonie erwähnt. Die endet aber, sobald wir uns aus Versehen gleichzeitig in der Küche aufhalten und einer anfängt, das Öl in der Pfanne zu erhitzen.
„Pass auf, das wird zu heiß.“-„Das muss heiß sein, das soll schließlich scharf angebraten sein.“-„Aber doch nicht so scharf, dass es gleich verbrennt, guck mal, das Öl raucht ja schon.“ – „Ja, weil du immer dieses Sonnenblumenöl kaufst, das man nicht über 120 Grad erhitzen darf, damit kann man nicht braten, das habe ich schon hundertmal gesagt.“ – „Nimm halt Butter, ich nehm für so was immer Butter.“-„Ja-ha, ich weiß“-„Wie meinst du das, hast du daran was auszusetzen? Passt dir nicht, wie ich koche?“
Und so weiter.

Es dauert jedenfalls keine fünf Minuten, dann ist einer beleidigt, obwohl er doch nur einen guten Rat geben wollte und der andere, weil man ihm die einfachsten Dinge nicht zutraut. Das sind natürlich ganz normale Paar-Streit-Basics, aber beim Kochen erreichen sie auf wundersame Weise rasend schnell den Siedepunkt, viel schneller als der Topf mit Knödelwasser jedenfalls („Der muss fei nur sieden.“ – „Ich weiß, ich mach doch immer die Knödel.“-„Ist da schon Salz drin?“-„Ja. Hey, warum tust du jetzt noch welches rein?“ – „Letztes Mal wars wieder zu wenig.“ – „Raus!“).

Dabei ist Kochen alleine so eine friedliche und entspannende Beschäftigung. Nie bin ich ruhiger, als wenn ich Gemüse in kleine Stücke schneide. Wenn ich allerdings meiner Freundin beim Stücke schneiden zuschauen muss, werde ich schon nervös. Irgendwie sind ihre Bewegungen dabei so anders. Dann nimmt sie das falsche Messer (meint: das, das ich nie nehme) und das unpraktische Brett und hat ja noch nicht mal... . Ich kann nicht hinsehen. Dabei habe ich ihr sogar Skifahren beigebracht ohne auszuflippen. 

 Kochen ist eine komplexe Sache, vor allem wenn man es schon länger betreibt. Für jeden der achtzig kleinen Vorgänge, die vom Einkaufstüten auf den Tisch stellen bis zum fertigen Essen im Topf erledigt werden müssen, hat man dann längst eine eigene (sicher nicht immer: die beste) Art sie ohne Nachzudenken zu erledigen, das geht alles unterbewusst. Alleine: Meditation. Zu Zweit: Konfusion und Kommunikationsdesaster.

Es ist einfach so, wenn man fünf Menschen eine Zwiebel schneiden lässt, hat man vermutlich fünf sehr unterschiedliche Abläufe. Zudem ist Kochen auch eine taktisch-strategische Aufgabe, bei der Logistik und Zeitabfolge eine Rolle spielen. Dieses persönliche System, wann was zu tun ist mit jemandem zu teilen ist schon schwierig – und sich als Zweitkoch an ein fremdes System zu halten ist noch schwieriger. Gleichzeitig ist Kochen ja eine überaus ergebnisorientierte Angelegenheit, die meist von Hunger flankiert wird, was basisdemokratischer Entspanntheit meistens zuwider läuft. Bei vielen anderen Duo-Beschäftigungen kann man den anderen ja erstmal werkeln lassen, soll er eben sehen, wie weit er mit seiner Methode kommt. Beim Kochen aber schwingt immer die Panik mit, selbst auch auf die Fertigpizza zurückgreifen zu müssen, wenn die irre Frau Partnerin jetzt nicht endlich den Topfdeckel nur halb auflegt.

Ein einzelner Koch hat eine genaue Vorstellung vom Ergebnis seiner Anstrengungen. Zwei Köche haben zwar eventuell noch das gleiche Ergebnis vor Augen, aber sie kennen nur vollkommen unterschiedliche Wege, die dorthin führen, deswegen sind jeder geteilte Schritt und jede Aufgabenverteilung ein potenzieller Knatschpunkt. Dazu kommt, dass sich Kritik an einer Zubereitungsmethode unter Paaren so ähnlich anfühlt, wie Kritik an einer Sexpraktik, die einer schon immer so gemacht hat. Nach vier Jahren zu hören, dass man das doch mal anders machen sollte, klingt dann immer nach Generalanklage á la „Dir hat meine Arabbiata-Soße die ich schon hundertmal so gemacht habe also noch nie geschmeckt, weil ich dazu immer Piment d’Espelette verwende?“ Noch schlimmer ist es, irgendwo eingeladen zu sein und fremden Menschen die man nicht anraunzen darf bei dem zuzusehen, was sie Kochen nennen. Eigentlich bin ich kein ausgebildeter Rechthaber und ich akzeptiere viele Lebensentwürfe, aber Öl ins Nudelwasser akzeptiere ich nicht. Ich gehe dann in den Flur oder auf den Balkon und halte mir die Ohren zu.
Zum essen komme ich dann aufgeräumt wieder zu den Erwachsenen und alles ist fein.

Nun mag man glauben, dass ein aufgeschlagenes Kochbuch die Situation vielleicht entschärft, vor dem Rezept sind schließlich alle gleich. Das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Rezept hat noch eine dritte Partei die Küche betreten, noch dazu eine, die unerträglich rechthaberisch auftritt. Meiner Freundin nun zusehen zu müssen, wie sie sich sklavisch lieber den dürren Worten von Herrn Lafer unterwirft, als auf meinen lebenssatten Rat zu hören wenn es um eine Banalität wie Reiskochen geht, lässt mich gleich wieder die Schürze werfen. Es bleibt dabei - wir kochen allein, alles ist wunderbar, der Kochende wird gelobt, der Essende hat Seelenfrieden. Wenn wir mal einen Nachmittag zusammen in einer Küche genießen wollen, buchen wir eben wieder einen Partner-Kochkurs.

Text: fabian-fuchs - Foto: jala/photocase.com

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