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Von der Notlösung zum Erfolgsmodell

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Eigentlich war der Bundesfreiwilligendienst (BFD) nur eine Notlösung. Nach dem Ende der Wehrpflicht im Juli 2011 wollte die Bundesjugendministerin Kristina Schröder mit dem neuen Sozialdienst den Wegfall der Zivildienstleistenden durch die Aussetzung der Wehrpflicht ausgleichen.  



In dem Etat für die BFD-Stellen hat Kristina Schröder nur 35.000 Plätze eingeplant. Zum Vergleich: Von Zivildienstleistenden waren zuvor etwa 70.000 Stellen besetzt. Die bescheidene Zahl von 35.000 Plätzen erklärt sich vor allem so, dass der soziale Dienst keine Pflicht mehr wäre, weil nach dem Ende der Wehrpflicht auch der Zivildienst als Wehrersatz nicht mehr verpflichtend ist. Für junge Leute, die sich engagieren wollen, gibt es außerdem schon immer Möglichkeiten wie das „Freiwillige Soziale Jahr“ (FSJ) oder das „Freiwillige Ökologische Jahr“ (FÖJ).

Beim Bundesfreiwilligendienst kann jeder mitmachen, der die Vollzeitschulpflicht erfüllt hat, je nach Bundesland ist das ab 15 oder 16 Jahren der Fall. Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht. In der Regel arbeitet man ein Jahr in gemeinwohlorientierten Einrichtungen wie Caritas, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie, aber auch in nicht-verbandsgebundenen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätten, Schulen oder Museen.  

Im Sommer 2011 sah es so aus, als wäre selbst Kristina Schröders bescheidenes Ziel, 35.000 BFD-Stellen zu füllen, zu hoch gesteckt. Doch in Berlin war man anscheinend zu vorsichtig. Langsam werden die Freiwilligenstellen knapp. Wenn der Etat für die „Bundesfreiwilligen“, die kurz „Bufdis“ genannt werden, nicht aufgestockt wird, müssen bald die ersten Absagen erteilt werden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, dass bereits 32.000 von 35.000 Verträge für 2012 abgeschlossen worden sind, dabei hat das neue Jahr erst angefangen. Die Träger der BFD-Stellen rechnen mit 60.000 Interessenten, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Neue Stellen für 2013 gibt es nach dem aktuellen Stand frühestens im September 2012.  

Rainer Hub, Bundesreferent für freiwilliges Engagement bei der Diakonie, schildert die Situation in seinem Verband so: „Die Nachfrage bei uns ist viel höher als wir das vor einem halben Jahr erwartet haben. Das Dilemma ist, dass die Bundesmittel ausgeschöpft sind. Wir können ab jetzt schon keine neuen Verträge mehr unterzeichnen und ich glaube nicht, dass die Mittel aufgestockt werden. Unsere Träger vor Ort können aber als Alternative ein ungefördertes, also unbezahltes FSJ anbieten.“ Der BFD wird mit einem Taschengeld von bis zu 336 Euro monatlich vergütet.  

Mehr Freiwillige als Stellen gibt es auch beim Deutschen Roten Kreuz. Pressereferent Fredrik Barkenhammar: „Wir hatten 2.500 BFD-Stellen und können aktuell keine Freiwilligen mehr annehmen. Es kann aber sein, dass es in manchen Kreisverbänden noch Möglichkeiten gibt.“  

Die überraschend große Nachfrage erklären sich Rainer Hub und Fredrik Barkenhammar unter anderem mit den doppelten Abiturjahrgängen, die vor dem Studium noch einen Freiwilligendienst einlegen wollen. „Entscheidend sind speziell die doppelten Abschlussklassen aus Baden-Württemberg, das schon immer ein sehr engagiertes Bundesland ist“, sagt Rainer Hub.  

Auch die Startschwierigkeiten des neu eingeführten Sozialdienstes scheinen überwunden. „Jetzt sind wir langsam mit dem Thema warm geworden, nachdem im Sommer die Rahmenbedingungen noch unklar waren“, erklärt Fredrik Barkenhammar. Unsicher war vor allem, ob jüngere Freiwillige Anspruch auf Kindergeld haben. Erst im Dezember wurde beschlossen, dass Eltern von volljährigen Freiwilligen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes Kindergeld bekommen.  

Zudem wurde im Januar ein weiterer Anreiz geschaffen, sich im BFD zu engagieren: Hartz-IV-Empfänger dürfen statt 60 Euro nun 175 Euro „Bufdi-Taschengeld“ zusätzlich zum Arbeitslosengeld II dazuverdienen, ohne dass sich dabei die Höhe ihres Hartz-IV-Anspruchs ändert.  

Mit einer neuen  Engagementkultur kann sich Rainer Hub die Nachfrage aber noch nicht erklären: „Das ist erst einmal eine Momentaufnahme und im Januar und Februar ist die Nachfrage bei Freiwilligendiensten immer höher, weil viele schon jetzt die Zeit nach dem Abitur planen.“  

Und wie sieht es bei der Bundeswehr aus? Nach dem Ende der Wehrpflicht 2011 haben mehr als 10.000 Freiwillige dort ihren Dienst begonnen, Verteidigungsminister de Maizière hatte sich im Sommer nur 5.000 erhofft. 10.000 sind ein gutes Ergebnis, auch wenn der Bundesfreiwilligendienst mit mehr als 30.000 drei Mal so viele Zugänge aufweisen kann. Fredrik Barkenhammar erklärt sich diese Entwicklung so: „Ich habe das Gefühl, dass Engagement gerade einen sehr hohen Stellenwert hat.“

Text: kathrin-hollmer - Foto: dpa

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