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Verliebt - verheiratet! Wozu noch verloben?

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Es ist das unbestrittene Highlight einer jeden Hollywood-Schmonzette: Ein junges, dynamisches Paar, beide wahnsinnig gut aussehend, sitzt im Restaurant. Nennen wir sie unseren Klischees entsprechend Pete und Stacy. Die vorherigen 90 Minuten durfte der Zuschauer das auf und ab ihrer Liebe erleben und nun, im fulminanten Finale endlich die Erlösung: Pete macht ihr endlich einen Heiratsantrag. Auf welche Art und Weise dies geschieht, sei dahingestellt (ein plötzlich hereinmarschierendes Orchester, Stacy verschluckt sich an ihrem Ring im Champagnerglas – das hat es alles schon gegeben).
Im nächsten Bild sieht man dann sie mit einem überdimensionalen Glitzerring am Telefon stehen und ein „Stell dir vor! Pete und ich haben uns verlobt!“ ins Telefon kreischen.
Dass derartige Filme nicht unbedingt das wahre Leben abbilden, ist weitestgehend bekannt. Doch tut das heutzutage eigentlich noch jemand – sich verloben?



Verloben ist spießig
„Verloben ist doch total spießig“, lässt meine Mutter gerne verlauten, wenn es auf das Thema kommt. Für sie gab es einen praktischen Heiratsantrag im dänischen Ferienhaus, ohne Ring und süßliche Grußkarten. Man wollte Kinder, möglichst später verbeamtet werden und hatte bereits eine Doppelhaushälfte in Berlin-Zehlendorf in Aussicht. Eine Heirat war da die logische Konsequenz. Und dann nennt gerade sie eine Verlobung spießig. Wie kann das sein? „Ich finde es albern, so viel Aufregung um eine Verlobung zu machen." sagt sie. "Die Hochzeit ist dann doch aufwendig und teuer genug. Wozu bedarf es dann vorher eines extra Ringes?“ Für die Kinder ihrer Freundinnen, die sich momentan andauernd ver- und entloben und daraus anscheinend nichts lernen, hat sie nur ein Kopfschütteln übrig. Auch als mein Bruder sich gemeinsam mit seiner Freundin sogenannte Freundschaftsringe zulegte, witterte sie eine Verlobung. "Das ist so altmodisch", klagte sie damals.

Verloben bringt keinen rechtlichen Vorteil
Rechtlich betrachtet hat eine Verlobung in Deutschland wirklich nahezu keine Relevanz. Würde Pete seine Stacy jetzt auf einmal verlassen und stattdessen Tiffany einen Ring des gleichnamigen Herstellers an den Finger stecken, so könnte Stacy ihn nicht zwingen, sie trotzdem zu heiraten.
Der einzige Vorteil, den sie aus der gelösten Verlobung noch ziehen könnte, wäre eine Klage auf Schadensersatz. Aber auch hier gibt es einen juristischen Haken: die Verlobung muss einseitig, ohne triftigen Grund gelöst worden sein. 
Hätten Pete und Stacy sich also schon die ganze Zeit munter betrogen und Pete brennt am Ende doch lieber mit Tiffany durch, sähen Stacys Chancen auf das Geld schlecht aus. Verlässt Pete die gute Stacy hingegen, weil sie absolut furchtbar kocht, diese hat allerdings in Anbetracht der Ehe bereits ihren Job gekündigt um ein Leben lang für Pete den Kochlöffel zu schwingen, so hätte sie bessere Aussichten auf finanzielle Entschädigung.  

Bis 1998, also auch in der Zeit der Eheschließungen unserer Eltern, sah das rechtlich noch ganz anders aus. Bis dahin war nämlich noch die sogenannte Kranzgeld-Regelung in Kraft. Diese besagte, dass ein Mädchen, das von ihrem Partner in der Verlobungszeit entjungfert, aber nicht abschließend geehelicht wurde, einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung hätte. Aus heutiger Sicht ist es zwar völlig absurd, dass jemand öffentlich über den Preis seiner Jungfräulichkeit streiten möchte, das Bundesverfassungsgericht erkannte dies allerdings erst 1993. Zumindest wurde in diesem Jahr endgültig der Wert der Jungfräulichkeit mit null Pfennig bemessen.

Verloben ist romantisch
Wenn sich also juristisch aus einer gelösten Verlobung maximal das bereits gekaufte Hahn-und-Henne-Geschirr herausgeschlagen werden kann – was taugt sie dann? 
„Es ist einfach total romantisch, sich zu verloben“, werden die Schmuck- und Kerzenlichtliebhaber nun sagen. Das stimmt natürlich. "Außerdem ist jeder, der einen Heiratsantrag annimmt, doch automatisch verlobt!" werden die besonders Spitzfindigen anfügen. Auch das ist wahr. Aber das Bild, das wir gerade aus Hollywood vermittelt bekommen, besteht ja aus mehr, als einem schnöden "ja nech, dann lass mal heiraten und so". Dazu gehört ein Ring (wir erinnern uns an Stacys Klunker) und die Teilnahme der Weltöffentlichkeit an diesem Ereignis. Anders lässt sich auch nicht erklären, dass man bei Facebook als Beziehungsstatus auch "verlobt" angeben kann. In meinem Umfeld der Mitte-20-jährigen wird der Klick von "in einer Beziehung" zu "verlobt" zumindest immer häufiger getätigt. Peinlich wird es dann nur, wenn dann eines Tages sowohl der Beziehungsstatus, als auch die schwarz-weißen Knutschfotos vom Profil verschwinden. Einen "Verlobung gelöst"-Status gibt es nämlich bisher noch nicht, aber wie wir ja gelernt haben, hat das zumindest keine rechtlichen Konsequenzen.

Verliebt, doch verlobt und dann verheiratet?
Die häufiger beim Betrachten von Hollywood-Filmen entstehende Diskussion mit meiner Mutter endet übrigens meistens darin, dass ich die Verlobung als romantischen Akt in unserer rauhen Gesellschaft verteidige. Er muss ja nicht mit einem pompösen Fest und dramatischen Gesten einhergehen.
"Der Verlobungsring kann notfalls aus den Kaugummiautomaten sein - seine einzige Aufgabe ist es schließlich einen daran zu erinnern, dass man jemanden hat auf den man den Rest seines Lebens bauen kann", will ich das Gespräch abschließen. Meine Mutter lächelt dann nur und denkt: "Kind, du wirst irgendwann lernen, dass auch die Ehe nicht nur romantisch ist." Aber bis dahin wird sie mich möglichst lange als liebende Mutter in meiner kleinen Seifenblase lassen, egal ob mit oder ohne Verlobung.


Text: charlotte-haunhorst - Bild: Duftomat / photocase.com

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