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"Die komplette Rap-Szene hat mich gelangweilt"

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jetzt.de: Mit den Beginnern und auch auf deinen beiden Soloalben hast du immer die HipHop-Flagge hochgehalten. Woher kommt der Sinneswandel? Dennis Lisk: Ich habe immer querbeet Musik gehört, war von meinen persönlichen Vorlieben her nie nur auf HipHop limitiert. Beim Rap hat mir mittlerweile einfach die Herausforderung gefehlt. Die komplette Szene hat mich gelangweilt. Ich möchte ein Genre, für das ich zwanzig Jahre gelebt habe auf keinen Fall einfach abfertigen. Aber ich hatte das Gefühl, dem Ganzen nichts Neues mehr hinzufügen zu können. Aber warum ausgerechnet Gesang und Gitarre in Singer/Songwriter-Manier? Du hättest auf den Elektrozug aufspringen oder Punk machen können ... Ich habe vor etwa drei Jahren nach einem neuen Zugang zur Musik gesucht, früher bereits Gitarre gespielt, mir im Studio irgendwann einfach die Klampfe geschnappt und plötzlich wieder gewusst, warum ich eigentlich Musik mache. Nach einer kleinen Schaffenskrise war endlich das Gefühl wieder da. Wer mich ein bisschen kennt, der weiß auch um die melancholische Seite in mir, die ich auf diesem Wege komplett rauslassen konnte. Dafür musste ich mich allerdings erst von Beats und Raps verabschieden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Auf zwei Dinge wirst du dich bei den anstehenden Interviews wahrscheinlich einstellen müssen: auf den musikalischen Vergleich mit Clueso und die künstlerische Gegenüberstellung mit deinem Bandkollegen Jan Delay. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Themen nicht unbedingt zu deinen bevorzugten Gesprächsinhalten zählen. Ich habe kein Problem damit, über Jan zu sprechen. Ich finde es eher etwas langweilig und hätte jetzt keine große Lust, all diese uralten Geschichten noch mal durchzukauen. Dass es schwer war, mich neben Jan als Künstler unabhängig von der Band zu behaupten, dass ich in seinem Schatten stand und er mehr Platten verkauft hat, das weiß doch eh jeder. Und ich gönne ihm seinen Erfolg von Herzen. Zu Clueso sei gesagt, daß ich vor drei Jahren meinen ersten Song in dieser Richtung gemacht habe, als sein großer Erfolg noch nicht abzusehen war. Auf deutsch singen, gepaart mit einer gewissen Melancholie, das ist bei uns sicherlich ähnlich, das war es aber auch schon. Am Ende klingen wir dann wohl eh alle wie Lindenberg. Aber im Ernst: Ich habe jetzt drei Jahre lang an einem neuen Album gearbeitet und würde sicherlich lieber über Inhalte sprechen. Aber auf „Einfach mal sehen“ hast du die beiden zusammen mit Max Herre sogar gefeaturet. War das eine bewusste Entscheidung, um Konkurrenz- oder Plagiatsvorwürfe zu entkräften? Von Plagiatsvorwürfen kann keine Rede sein. Sorry, aber ich weiß nicht, von welchem kleinen Hater-Forum du dich da hast beeinflussen lassen. Jan, Max und Clueso sind einfach Leute, die ich gerne auf meiner Platte haben wollte, und weil es sich einzeln nicht ergeben hat, habe ich alle auf einen Song gepackt. Auch inhaltlich geht es um etwas ganz anderes, nämlich um das euphorische Moment, wenn man tagsüber schon weiß, dass man abends feiern gehen wird. Bei „Navigation“ hätte ich auch gerne mit Judith Holofernes von Wir sind Helden zusammengearbeitet. Sie hätte auch Bock darauf gehabt, aber die fahren eine Band-Politik, nach der vor der Veröffentlichung ihres anstehenden neuen Albums niemand außerhalb der Gruppe auftauchen soll. Ich konnte sie allerdings als Texterin gewinnen, denn sie hat den Refrain von „Gerne hier“ geschrieben. Der einzige Text, der nicht von mir ist. Der Song wird die B-Seite meiner zweiten Single werden. Es gibt mindestens drei Stücke auf der Platte, bei denen deine künstlerische Neuausrichtung auch Einzug in die Lyrics gehalten hat. Die textliche Auseinandersetzung mit diesem Umstand scheint dir wichtig gewesen zu sein. Ja, das war es. Ich habe es aber absichtlich ein wenig offener formuliert, sodass es durchaus auch anderweitig interpretiert werden kann. Spannend fand ich jedoch, dass mich Leute auf andere Aspekte des Albums aufmerksam gemacht haben, die mir vorher gar nicht aufgefallen waren. Ich habe mir zum Beispiel sagen lassen, dass das Album trotz aller Melancholie sehr positiv geworden ist. Und dass ich einen sehr eigenen Flow mit entsprechender Melodieführung auf die Platte bekommen habe, der eindeutig vom Rap beeinflusst ist und in dieser Form noch nicht da war. Das hat mich sehr gefreut. Dennis Lisk und "Lass los":

Hast du das Gefühl, dass du auch in sprachlicher Hinsicht von deinem HipHop-Background profitiert hast? Die lyrischen Anforderungen sowie die textliche Umsetzung kann man doch sicherlich nicht vergleichen. Dass ich mich bereits seit Jahren intensiv mit Worten und Sprache auseinandersetze, hat mir ungemein geholfen, bei emotionalen Stücken nicht ins Kitschige abzudriften. Die richtige Wortwahl, einen angemessenen Flow und die passenden Inhalte auzubalancieren, das ist definitiv ein Know-how, das ich durch Rap erlangt habe. Es gibt mittlerweile einige Rapper deiner Generation, denen das HipHop-Genre zu eng geworden ist und die sich daher musikalisch anderweitig orientieren. Hast du das Gefühl, dass Rap als Musikrichtung den wachsenden Ansprüchen eines Künstlers irgendwann nicht mehr standhalten kann? Nein, es gibt auch im HipHop immer noch genügend Leute, die sich weiterentwickeln und künstlerisch anspruchsvolle Songs machen. Schau dir Eminem an! Aber es ist halt gerade nicht meins. Die Leidenschaft, komplette Rap-Alben zu machen ist mir ein wenig abhanden gekommen. Dennoch bleibt HipHop ein großer Bestandteil meines Lebens. Ich bin oft als DJ unterwegs, rappe noch gerne live, sodass ich mir im Band-Kontext durchaus vorstellen könnte, dass die alte Liebe neu entflammt. Und dennoch: Mit kompletter Live-Band, Streicherquartetten und Bläsern zu arbeiten macht mir persönlich zur Zeit mehr Spaß. Mir geht es darum, Emotionen in einen Song zu packen. Und darum, als Musiker glücklich mit meinen eigenen Songs zu sein. Und das bin ich. Das Album "Suchen & Finden" erscheint am 10. Juli

Text: daniel-schieferdecker - Fotos: fourmusic.com

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