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Du darfst nicht mehr surfen. Markus Beckedahl über die Three Strikes and you're out-Strategie

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Du berichtest in Deinem Blog von einem geplanten nicht-öffentlichen Treffen im Justizministerum Ende Januar ... ... es geht, soweit ich bisher weiß, um ein nicht-öffentliches Treffen, zu dem das Bundesjustizministerium neben der Rechteindustrie den Providerverband eco und einige große Provider eingeladen hat. Thema sind die Interessen der Rechte-Industrie und die Verhinderung der Piraterie im digitalen Umfeld. Du vermutest, dass es dabei um die so genannte „Three Strikes and you're out“-Strategie geht. Kannst du das kurz erklären? Die Idee hinter diesem Modell ist zwei Jahre alt. Sie kommt von der internationalen Lobby der Musikindustrie und wird jetzt in einigen Ländern vorangetrieben. Es geht dabei um eine Ergänzung der schon vorhandenen Möglichkeiten, gegen Piraterie im Netz vorzugehen. Man möchte, dass private Ermittler der Rechteinhaber – wie zum Beispiel die ProMedia in Hamburg – IP-Adressen von vermeintlichen Filesharern an die Provider schicken und diese Provider sollen dann ihre Kunden in einer Warnmail auf die Rechtswidrigkeit ihres Handelns hinweisen. Und wenn die Kunden nicht reagieren? Sollte die Warnmail nichts bringen, wünscht man sich stufenweise Sanktionen. Dabei stellt man sich zum Beispiel die Einschränkung der Bandbreite vor oder sogar die Sperrung des Internet-Zugangs. Das sind aber Eingriffe in Grundrechte, oder? Genau, Internetsperrung bedeutet, dass verschiedene Grundrechte beschnitten werden, wie das Grundrecht auf Informations- oder auf Meinungsfreiheit. Menschen sollen von ihrer Kommunikationswelt ausgeschlossen werden. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass diese Keule erstmal nicht gezogen wird. Es ist jedoch abzusehen, dass, wenn diese ersten Stufen keinen Erfolg haben, auch Internetsperrungen vollzogen werden sollen. Im französischen Modell, das bereits Gesetzesreife hat, ist die Sperrung auch genannt. Dort plant man zwischen neun und zwölf Monate Internet-Zugangsverweigerung für die betroffenen Personen. Und so etwas soll es jetzt auch in Deutschland geben? Die Provider sollen zunächst unter Druck gesetzt werden, eine freiwillige Kooperation einzugehen, mit der Drohung sonst die passenden Gesetze zu schaffen. Aber in der freiwiligen Kooperation liegt schon ein großes Problem. Hier geht es nämlich um eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung – und zwar ohne jegliche Überprüfung auf Rechtsstaatlichkeit und unter Umgehung jeglicher rechtsstaatlicher Instanzen. Du hast darüberhinaus aber noch weitere Zweifel. Genau, es gibt ganz pragmatische Probleme: Die von den privaten Ermittlern dargelegten IP-Adressen müssen ja nicht unbedingt die richtigen sein. Außerdem trifft eine solche Sanktion den Anschluss-Inhaber aber nicht unbedingt den Rechtsverletzer. Es müsste dann zum Beispiel eine ganze Familie darunter leiden, wenn der Sohn Filesharing betrieben hat. Oder was ist, wenn der Nachbar das WLAN-Netzwerk mitnutzt? Das ist alles völlig unklar. Trotzdem wird dieser Plan jetzt auch in Deutschland verfolgt. Man sieht auf Seiten der Rechte-Industrie seine Felle davon schwimmen. Man möchte die Schwelle der Rechtsstaatlichkeit umgehen. Das ist ja auch viel einfacher: massenhaft IP-Adressen sammeln und diese automatisiert an die Provider schicken, die sich dann gefälligst darum kümmern sollen, ihre Kunde zu gängeln. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie hat im Interview mit jetzt.de kritisiert, dass die Provider sich da bisher gegen sperren. Glaubst du, die Provider werden da freiwillig mitmachen? Ich hoffe nicht. Ich möchte nicht, dass mein Provider mir Warnmails schickt und ich möchte auch nicht, dass ich als Kunde wie ein Verbrecher behandelt werde. Immerhin bezahle ich den Provider und den sollte meine Kommunikation nicht interessieren. Glaubst du, die Bundesregierung könnte die Provider zu dieser Kooperation mittels Gesetz zwingen? Ich befürchte das. Die Bundesregierung hat auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Herbst vergangenen Jahres gesagt, dass sie eine freiwillige Kooperation befürwortet – und die Vorladung der Provider geht ja in diese Richtung. Und wenn man sich das Lobbygeschehen hier in Berlin anschaut, ist dies das Mittel, das von Seiten der Rechte-Industrie Lobbyisten am häufigsten gefordert worden ist. Der oberste Lobbyist der Musikindustrie, nämlich ihre Chef, Dieter Gorny, hat als Argument für diese Strategie einen Vergleich zum Straßenverkehr herangezogen. Er sagt: Das Internet sei wie eine ungeregelte Autobahn und man müsse auch da Fahrverbote aussprechen können ... ... das stimmt ja so nicht. Es gibt ja jetzt schon die Möglichkeit, Fahrverbote auszusprechen. Das Internet ist nicht nur im Bereich de Urheberrechts mittlerweile stärker reguliert als unser analoges Leben. Die Behauptung, das Internet sei ein unregulierter Rechtsraum ist ein Propaganda-Begriff der Rechte-Industrie.

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Illustration: Julia Schubert

Wie glaubst Du wird diese Entwicklung ausgehen? Wird das ganze ein Wahlkampfthema in jetzt beginnenden Wahljahr? Ich hoffe, dass die Provider standhaft bleiben und eine freiwillige Kooperation ablehnen. Ich befürchte aber, dass wenn es zu einem schwarz-gelben Bündnis kommt im Herbst, die Bekämpfung von Urheberrechtsdelikten sehr viel stärker radikalisiert wird. Andererseits befürchte ich, dass andere Parteien sich nicht trauen, Alternativmodelle wie die Kulturflatrate in ihre Wahlprogramme zu nehmen, weil sie Angst haben vor dem Druck der Lobby aus der Rechte-Industrie. Mehr zum Thema im Themenschwerpunkt Urheberrecht - außerdem ein Interview mit Markus Beckedahl zu seiner Politik-Studie im Internet.

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