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Fickfreund vs. Liebhaber

Text: st_pauline
Mein Lover ist ein kleiner Junge. Baggypants in den Kniekehlen, Skateboard unterm Arm, die langen strähnigen Haare immer im Gesicht.

Ein kleiner 29jähriger Junge der auf Sex steht und dessen Vorbild Charles Buckowski ist. Bloß mit dem Unterschied, dass dieser kleine Junge verdammt gut im Bett ist.

Das ist es ja, was ich an ihm mag. Von dem geht keine Gefahr aus, das funktioniert, mein Körper bekommt, wonach er verlangt und mein Herz bleibt heil. Dachte ich.



Letztes Mal kam er, wir haben in der Küche Kaffee getrunken, ein bisschen gequatscht, gefickt und er ist wieder gegangen. Das war gut, hat dieses idiotische Grinsen und die roten Wangen hinterlassen und ein bisschen Vorfreude aufs nächste Mal, weiter nichts.



Diesmal bleibt er gleich 2 Tage und irgendwie passt das alles nicht so recht zusammen.



Als wir die Treppe hochkommen, steht sein Buddy schon an der Tür und brüllt uns entgegen: „Ah, hab ich mir doch gedacht, dass du nicht alleine kommst.“ Ich lache, lasse mir nichts anmerken. Weiß ja, dass ich nur eine von vielen bin, wusste ich von Anfang an. Eine von wie vielen, das will er mir allerdings nicht verraten. Will auch nicht bohren, schließlich soll er nicht den Eindruck bekommen, ich sei eifersüchtig. Und es macht ja auch Spaß, ihm von meinen anderen Männergeschichten zu erzählen und mir Rat zu holen, während er meinen Hintern streichelt.



Wir gehen feiern, das Cookie’s steht auf dem Programm. Auf dem großen Bild an der Wand steht „ficken“. Nichts weiter, nur dieses eine Wort, in kleinen Buchstaben, ohne Punkt, ohne Ausrufungszeichen, ein Wort auf dem schwarz-grauen Hintergrund der 2x2 Meter Leinwand.

Er lacht, das ist sein Spezialgebiet. Immerhin schreibt er für ein einschlägiges Sexmagazin, da muss man sich schon damit auskennen. Sein Buch wird sich auch fast ausschließlich damit beschäftigen. Es wird von unangefochtenen Blowjob-Queens erzählen, von heißen Chicks in Südafrika und Wichsflecken auf der Matratze.



Ich hoffe, nicht allzu schlecht wegzukommen, immerhin hat er mir schon angedroht, mich zu erwähnen. Die ganzen zwei Tage hat er damit verbracht, kleine Notizen auf Zettelchen, Kippenschachteln und Kaugummipapier zu kritzeln.

Bloß irgendwie anderes Zeug. So was wie „K&D gehört, Kippen geraucht, gegenseitig Texte gelesen“ oder „Schalten gleichzeitig den Rechner aus“. Muss schon komisch ausgesehen haben durchs Fenster, wie wir da saßen, nebeneinander auf der Couch, jeder mit dem Laptop des anderen auf dem Schoß.

Und er sagt: „Schon alleine für deine Schreibe würde ich dich am liebsten die ganze Nacht küssen.“ Wie bitte? Hast du das gerade gesagt?



Er ist immer noch der kleine Junge, der mit seinen Kumpels alberne Fotos macht, einen Joint nach dem anderen raucht, von Ménages à Trois träumt und am liebsten den ganzen Tag vögelt. Der im Cookie’s zum Spaß mit den Teenies flirtet, unbedingt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Read Buckowski“ will und mich gerne in den Arsch ficken würde.



Aber dann ist da noch dieses Pärchen-Getue, ekelhaft! Das ist nicht fair, darum habe ich nicht gebeten. Romantischer Quatsch, Händchenhalten und Knutschen in der Öffentlichkeit, stundenlanges Kuscheln, mit meiner Mitbewohnerin in der Küche hocken, als ich schon längst weg bin und dann auch noch den Abwasch machen. Und reden, richtige Gespräche führen.



Es hätte alles so einfach sein können. Habe noch zu ihm gesagt, wie entspannt das doch sei, diese kleine Hamburg-Berlin Affäre und dass ich ja immer davon überzeugt war, so was würde nicht funktionieren, weil der eine oder andere garantiert irgendwann mehr wolle. Und er antwortet nur: „Och, ich wär ja nicht abgeneigt.“ mit diesem Grinsen in der Fresse. Was soll das?



Natürlich ist das schön, verdammt. Streichelt das Ego, fühlt sich gut an, das bisschen Geborgenheit und Zweisamkeit für zwei Tage. Aber darum sollte es nicht gehen. Diesmal gibt es kein idiotisches Grinsen und vor immer noch andauernder Erregung gerötete Wangen. Diesmal erwische ich mich dabei, wie ich die Leute frage: „Und? Wie findest du ihn?“

War mir doch vorher auch scheißegal, ich mochte ihn nicht mal besonders. Jetzt ist er wieder weg und fehlt mir. Scheiße, das war so nicht geplant. Und ich kann’s ihm nicht mal vorwerfen, er hat ja einfach nur alles richtig gemacht.

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