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"Es ist verboten, über Politik zu reden"

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Elias Löwenhardt* war mit der Organisation „Sar-El“, die Freiwilligendienste in der Israeli Defence Force anbietet, drei Wochen beim israelischen Militär. Die Freiwilligen sind dort keine Kombattanten, d.h. sie tragen keine Waffen und kämpfen nicht, sondern helfen etwa in der Küche, im Sanitätswesen, im Nachschub oder bei der Instandsetzung aus.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de: Jetzt, wo du deinen Dienst bei der israelischen Armee beendet hast, wirst du den in deinen Lebenslauf eintragen?
Elias: Nein, der hat da nichts zu suchen. Ich hatte schon einmal Schwierigkeiten, als ich meine Einstellung zu Israel und der Armee öffentlich gemacht habe.

Welche genau?
Ich war auf der Suche nach einem WG-Zimmer und hatte bereits die Zusage. Nachdem ein Bewohner jedoch ein Bild von mir mit israelischen Soldaten auf Facebook gesehen hatte, änderte er seine Meinung und ich durfte doch nicht einziehen.  

Und du befürchtest ähnliche Reaktionen, wenn du offen damit umgehst, das du bei der israelischen Armee warst?
Es ist doch so: Alles was mit Israel zu tun hat, ist politisch. Aber ich habe den Freiwilligendienst ja nicht aus rein politischen Gründen gemacht. Sondern eher aus persönlichen.

Welche waren das?
Ich wollte mir einen Einblick in das Land verschaffen und es kennenlernen. Ich habe jüdische Wurzeln und auch Familie im Holocaust verloren. Und ich bin der Meinung, dass der Staat Israel der Zufluchtsort für Juden aus aller Welt ist.

Und du findest, dass die Armee der beste Ort ist, dieses Land kennenzulernen?
Der Konflikt und ein gewisser Militarismus gehört leider zum Land. Deshalb gilt die Wehrpflicht für fast jeden Bürger hier. Ausgenommen sind arabische Israelis, ultra-orthodoxe Juden und Bürger, die körperlich eingeschränkt sind. Ich wollte ein Teil davon sein oder dem wenigstens näher kommen. Ich habe mir immer gesagt, wenn ich eine Armeeuniform trage, dann die israelische. Israel kann ohne das Militär nicht überleben.

Wieso nicht?
Weil Israel sich seit seinen Anfängen im Krieg befindet und von Nachbarn umzingelt ist, die es auslöschen wollen, insbesondere der Iran. Die Armee ist auch keine, die Angriffskriege führt sondern nur zur Verteidigung dient. Das steckt ja schon im Namen – Israeli Defence Force.

Wie haben Freunde und Familie reagiert, als du ihnen gesagt hast, dass du einen Freiwilligendienst in der israelischen Armee machen möchtest?
Niemand war wirklich geschockt als ich das erzählt habe. Mein Umfeld kennt mich gut und deswegen waren sie nicht überrascht. Interessanter waren die Reaktionen der Israelis.

Inwiefern?
Einige waren verwirrt und fanden es befremdlich, dass ich freiwillig zur israelischen Armee gehe. In Israel muss jeder Junge für drei, jedes Mädchen für zwei Jahre zur Armee. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber fast alle haben es durchgemacht und vielen hat es in der Armee nicht gefallen. Es gab aber auch Leute, die es gutgeheißen haben, dass ich dadurch das Land unterstütze.

Wie kann man bei Sar-El als Freiwilliger mitmachen?
Man muss sich bewerben. Ich musste mir ein Gutachten vom Arzt besorgen um zu zeigen, dass ich körperlich fit bin. Außerdem habe ich eine Empfehlung vom Vorsitzenden der deutsch-israelischen Gesellschaft bekommen. Das ist ein Verein, der sich für die Interessen der Beziehungen beider Länder einsetzt. Aber man kann auch zu einem Rabbiner oder zu einem Pfarrer gehen, die einem bescheinigen, dass man im Interesse Israels diesen Dienst machen möchte. Ich habe die Bewerbungsunterlagen mit meinem Lebenslauf und einem polizeilichen Führungszeugnis nach Berlin geschickt, wurde zum Gespräch eingeladen und habe dann ein paar Wochen später die Zusage bekommen.

Stand da schon genau drin, was du wo machen wirst?
Nein, bis man in Tel Aviv am Flughafen angekommen ist, weiß man nicht, auf welcher Basis man für die nächsten drei Wochen seinen Freiwilligendienst macht. Nach der Anreise wird man von einer Betreuerin in Gruppen eingeteilt. Ich darf auch niemanden erzählen, wo ich genau war.

Wie sah dein Alltag aus?
Um 7.30 Uhr gab es einen Fahnenappell. Danach wurde uns in einem kurzen Briefing erklärt, was an dem jeweiligen Tag ansteht. Gearbeitet wurde bis 17 Uhr, mit Mittagspause. Nach dem Abendbrot gab es Programm, Vorträge oder kleine Filmvorstellungen über die Geschichte und Kultur Israels. Wir haben viel über die Anfänge der IDF gelernt, die sich aus den damaligen Untergrundkämpfern der Hagana gebildet hat, Vorträge über Soldaten bekommen, die im Krieg gefallen sind, und Eindrücke und persönliche Geschichten gehört, wie die hinterlassenden Familien damit umgehen. Das hat einen am meisten mitgenommen.

>>>> "Eine Freiwillige mit  82 Jahren sagte, dass sie einfach noch ein Abenteuer erleben wollte."


Was war dein Job?
Die Arbeit war eher langweilig. Ich war mit anderen Freiwilligen für die Instandsetzung der Werkzeuge verantwortlich. Wir haben Kleinteile sortiert und geschaut, ob die in Ordnung waren oder nicht. Wir haben auch Batterien tragen müssen, die zum Teil 40 Kilo gewogen haben.

Hattet ihr Kontakt zu richtigen IDF-Soldaten oder wurdet ihr strickt getrennt?
Wir sind denen auf der Basis oft über den Weg gelaufen und haben uns nett unterhalten.

Wie viele Freiwillige waren mit dir da und wo kamen sie her?
Mit mir zusammen haben 300 Personen angefangen und in meiner Gruppe waren zwölf Freiwillige aus acht Ländern. Unter anderem US-Amerikaner, Schweden, Kanadier und Engländer.

Was war deren Motivation für den Freiwilligendienst?
Ein Amerikaner war der Meinung, dass seine Regierung nicht genug für Israel tut. Also hat er das sozusagen selbst in die Hand genommen. Ein Schwede war vom Antisemitismus in seinem Land getroffen und wollte mit dem Dienst ein Zeichen setzen. Eine kleine Dame, 82 Jahre alt, sagte, dass sie einfach noch ein Abenteuer erleben wollte.

Gab es einen gemeinsamen Nenner unter euch Freiwilligen?
Eine gewisse Affinität zu Israel hat uns alle verbunden. Es ist verboten, über Politik zu reden, aber es war nicht zu vermeiden. Gerade während der Messer-Attacken im Herbst haben wir über Politik und die teilweise einseitige Berichterstattung gesprochen.

Wie war die Stimmung unter den Freiwilligen während der Messerattacken?
Die ersten hatten schon stattgefunden als wir unseren Dienst antreten sollten. Trotzdem hat niemand der 300 Teilnehmer aufgrund der angespannten Lage abgesagt. Das Internet auf der Basis war sehr schlecht und die Informationsbeschaffung dadurch limitiert. Natürlich war die Stimmung immer etwas bedrückt, wenn solche Meldungen kamen, aber viele von uns hat das in unserem Entschluss bestärkt, Israel in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen.

Kritiker meinen, dass der Freiwilligendienst, den Sar-El anbietet, eine PR-Strategie des Staates Israels ist um den schlechten Ruf entgegenzuwirken oder  den Konflikt verharmlosen will. Findest du das auch?
Wir sind Botschafter der Armee. Wir bekommen keine Waffenausbildung oder ähnliches. Wir sollen einfach einen Einblick bekommen und uns in diesem Rahmen unser eigenes Bild machen. Also stimme ich dem schon zu. Deren Ziel ist es aber definitiv nicht, den Krieg zu beschönigen. Unsere Madricha, also unsere Betreuerin, hat uns an einem dieser Vortragsabenden Geschichten von Soldaten erzählt, die von dem Konflikt seelisch ziemlich mitgerissen wurden.

Hat die Zeit bei der Armee sein Bild von Israel verändert?
Insgesamt war ich drei Monate in Israel und habe vorher auch etwas gearbeitet. Und ich habe wieder gemerkt, dass Israel ein vielfältiges Land ist und sich das auch im Militär widerspiegelt. Insgesamt sehe ich das Land und die Situation differenzierter und realistischer. Aber am Ende wurde mir bewusst, dass es ein Land ist, das sich zu verteidigen lohnt.

Durftest du deine Uniformen behalten?
Nein, die musste ich am Ende meines Dienstes abgeben. Ich durfte aber die Schulterklappen behalten.

*Name geändert

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