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Und immer wieder: Moin, moin.

Text: Zeidani

Ich arbeite Richtig gerne an der Kasse. Wirklich. Ich weiß sehr wohl das die meisten Leute immer auf Kassierinnen wie mich herunter gucken und sich denken „na, die hat ja gar nichts in ihren Leben geschafft“ oder „was für ein öder Langweiliger Job. Sitzt den ganzen Tag da nur doof rum“, aber so ist das als Kassiererin gar nicht. Wenn man an der Kasse arbeitet, so wie ich, da steht man mitten in leben. Manchmal kommt es mir so vor, wenn ich arbeite, als wenn ich der schwarze mittelpunkt einer Uhr bin und sich alles um mich herum dreht und ich einfach mitten drinnen nur sitze und es mitbekomme. Zu mir an die Kasse kommen einfach alle. Arme. Reiche. Verrückte. Stille. Unscheinbare. Ich lächle Sie alle an, sage Moin moin und Kassiere ihr essen. Manchmal unterhalten sich die Leute mit ihrer Begleitung und ich bekomme die geheimsten Geheimnisse überhaupt mit. Und manchmal muss ich ihnen auch helfen, weil Sie zu schusslig sind ihr Tablett selber zu einen von sich selbst gewählten Platz zu tragen. Ich liebe es einfach. An der Kasse fühlt man sich einfach lebendig… so mitten in leben.



Da war zum Beispiel letztens so eine Frau bei mir an der Kasse. Sie sah ein bisschen schrullig aus in ihren schon etwas aus der Mode gekommenen Sachen. Ich glaube Sie kam von Land, aber sicher bin ich mir nicht. Man sieht den Menschen ja nicht an, auch wenn man es sich oft wünscht und hofft und meint, wer Sie sind und woher sie kommen. Jedenfalls grüßte ich sie zunächst wie einen jeden Kunden von uns mit einen freundlichen „Moin, Moin!“ und Kassierte dann ihre Kohlroulade mit Salzkartoffeln und einen Karamellpudding und eine Brause. Nachdem die Frau ein wenig skeptisch mich anschaute als Sie den Betrag hörte den ich zu kassieren hatte zahlte Sie und suchte sich dann einen Platz wo Sie ihr Tablett abstellte. Als Sie ihre Handtasche über die Stuhllehne gehängt hatte zog Sie wieder los um Besteck zu holen. Dies sehe ich sehr oft bei Kunden: das sie ihr Besteck zunächst vergessen mitzunehmen. Als dann die alte Dame zu ihren Platz zurückging beobachtete ich aus den Augenwinkeln, während ich den nächsten Kunden bediente, das die Dame einen Moment stutzte und sich an einen anderen Platz setzte als den von sich gewählten. Sie setzte sich gegenüber von Piet, einen unserer Stammkunden. Piet kommt aus Südafrika und wurde von zwei Deutschen Adoptiert als er zwei Jahre alt war. Er arbeitet zwei Straßen weiter in einer großen Architekturbüro als Architekt und ist immer sehr lustig wenn ich ihn an der Kasse bediene. Ich mag ihn. Mit der Zeit lernt man die Stammkunden richtig kennen. So weiß ich z.B. von ihn das er zwei Kinder hat: Anne und Finn und verheiratet ist. Ich sah das Piet die Dame anlächelte. Hach… er ist einfach zu herzlich. Doch warum, das Fragte ich mich, setzte die Frau sich an einen anderen Platz? Mit den Rücken zu ihren Essen und ihrer Handtasche? Hatte Sie nicht Angst das ihre Tasche geklaut werden würde? So ganz unbeobachtet? Und das Essen wurde ja auch kalt. Vielleicht kannte die Dame ja Piet. Vielleicht hatte Sie ja des wiedererkennens wegen so gestutzt, dachte ich mir damals. Doch dann bemerkte ich während ich wiedermals einen neuen Kunden bediente das die Dame das Tablett von Piet in die Tischmitte zog. Irgendwie empfand ich das in diesen Moment als zu weitgehend. Es konnte ja nicht angehen das diese Frau unseren Stammkunden belästigte. Andererseits tümmelte sich so langsam eine richtige Schlange an meiner Kasse, weswegen es der anderen Kunden wegen nicht gut gewesen wäre jetzt aufzustehen und der Frau ein Paar Takte dazu zu sagen. Also blieb ich an meiner Kasse sitzen. Piet hatte ja schließlich selber einen Mund um zu sagen wenn ihn etwas störte. Während ich 12,50 € für Kartoffelsalat mit Bratwurst abkassierte von einer hektisch wirkenden Dame sah ich das die beiden zusammen Piets essen aßen.



Aha, Dachte ich mir da. So war das also. Die Frau hatte sich bestimmt in ihren Platz vertan. Sie realisierte gewiss nicht das sie da grade von Piets essen aß. Auf einmal machte alles einen Sinn: das stutzen vor den Hinsetzen, das Tablett ziehen in die mitte des Platzes. Wieder überlegte ich. Ich überlegte ob ich die Dame aufklären sollte das Sie da grade bei Piet mitaß und nicht wiederrum Piet bei ihr mitßa. Bestimmt dachte Sie das Piet halt irgend so ein Ausländer war der sich sein essen so besorgen würde. Aber es schien Piet ja nicht zu stören. Sie teilten ihr essen brüderlich bzw. schwesterlich miteinander. Und wer wäre ich dann schon da einzugreifen?
Diese Situation hat mich ganz schön ergriffen müsst ihr wissen. Da sind zwei sich völlig fremde Menschen die unterschiedlicher nicht sein können: Der eine weiß, der andere schwarz. Der eine alt, der andere Jung. Der eine ein wenig verwirrt, der andere klar in Kopf. Und doch sitzen sitzen Sie da gemeinsam und teilen sich friedlich ihr essen. In diesen Moment hatte ich mir gewünscht das alleVertreter aller Regierungen dabei gewesen wären. Alle Terroristen dieser Welt. Einfach alle Menschen die Vorurteile gegeneinander haben. Die Menschen von den Terroranschlägen von Paris… Den manchmal ist es doch ganz simpel in leben. Da teilt man einfach. Ohne Fragen. Ohne wenn und aber. Und es findet sich ein. Als wäre es das normalste der Welt. Wie bei den beiden da. Die sich einfach ihr essen teilten.



Als Piet dann ging schien die Zufriedenheit der Dame so langsam zu verschwinden, bis Sie realisierte das ihre Handtasche an den Stuhl hinter ihr Hang. Bestimmt hatte Sie gedacht das die geklaut worden war. Dann nahm sie sich noch den von sich selbst gekauften Karamellpudding und aß diesen noch und Trank ein wenig von ihrer Brause. Ob Sie realisierte das Sie da nun „ihr“ essen aß weiss ich nicht, da ich es ihr nicht ansehen konnte. Aber letztlich war es ja auch egal. Die Frau schien mit sich in reinen. Und Piet schien es auch gewesen zu sein, als er an mir vorbei ging und mir freundlich zunickte.



Ja, an der Kasse erlebt man wirklich so manches. Und manchmal richtig schön vorbildliches. So mitten aus den leben heraus. So wie das grade erzählte.



ENDE



 



 

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