Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

"Politiker aus unseren Ländern würden sich nicht die Hand geben"

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Die einen machen Klezmer-Rock. Die anderen Indie und Elektro. Und ihre Länder sind verfeindet. Zwei Wochen lang gehen die Bands Ramzailech (Israel) und Langtunes (Iran) gemeinsam in Deutschland auf Tour. Wie passt das zusammen? Behrooz, 29, Sänger der Langtunes, und Amit, 28, Gitarrist von Ramzailech, über offene Feindschaft, geheime Freundschaft und Musik unter schwierigen Voraussetzungen.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Eure Tour heißt „The Secret Handshake Tour“. Was genau ist daran „secret“? 

Behrooz: Politiker aus unseren Ländern würden das nicht machen: sich die Hand geben. Aber wir sind Freunde, das ist ein Geheimnis zwischen uns. Und zwischen uns und den Deutschen, bei denen wir zusammen auftreten. Amit: Mit der Tour wollen wir zeigen: Musik ist alles, was wir brauchen, um eine Verbindung zwischen uns zu schaffen.

Wie seid ihr euch eigentlich begegnet?

Behrooz: Unser Kontakt nach Deutschland und zu Elnaz von der Agentur Parvenue, die auch die aktuelle Tour betreut, kam über einen gemeinsamen iranischen Facebook-Freund zustande. 2014 haben wir in Nürnberg unser erstes Album aufgenommen, im Iran geht das ohne Genehmigung nicht. Ramzailech hatten zeitgleich eine Show in der Stadt und suchten einen Supporting Act. Elnaz hatte die Idee, dass wir zusammen spielen. 

Und ihr habt sofort ja gesagt?

Behrooz: Am Anfang klang das etwas beunruhigend, Israel und Iran . . . Aber dann haben wir die Jungs getroffen, gemeinsam auf einer Bühne gespielt – und das Publikum mochte es. Danach dachten wir: Wir wollen beide unsere Karrieren in Deutschland weiter ausbauen und Shows hier spielen – warum gehen wir nicht zusammen auf Tour? Und werben gleichzeitig für eine Easy-Going-Einstellung zwischen Menschen der beiden verfeindeten Nationen?

Amit: Das Tolle ist: Wir sind eine israelische Band und haben uns in Deutschland mit Iranern gut verstanden, darum spielen wir jetzt jüdische Musik in Deutschland!

"Wir wurden nicht explizit dazu erzogen, Israel zu hassen – aber die Feindschaft ist die ganze Zeit präsent"

Hattet ihr vorher schon mal Leute aus Israel oder Iran getroffen?

Behrooz: Ich war zumindest bisher nie mit einem Israeli befreundet.

Amit: In Israel gibt es eine Gemeinschaft von Juden aus Iran, dadurch kennen wir die Kultur, viele Gerichte, ein bisschen Farsi. Aber wir hatten nie die Gelegenheit, jemanden zu treffen, der in Iran lebt, in unserem Alter ist und auch Musik macht.

Behrooz: Jetzt, während der Tour, lernen wir viel über die Kultur der anderen. Wir bringen uns Wörter auf Hebräisch und Farsi bei, zeigen uns viele kulturelle Details. Dann merkt man schnell, dass wir alle aus dem Nahen Osten kommen und es viele Ähnlichkeiten gibt. Ich würde zum Beispiel sagen, dass wir sehr warme Menschen sind, herzlich, offen – die Deutschen sind viel kühler.

Was lernt man über Israel, wenn man in Iran aufwächst?

Behrooz: Wir wurden nicht explizit dazu erzogen, Israel zu hassen – aber die Feindschaft ist natürlich die ganze Zeit präsent, in den Nachrichten, in der Schule, überall. Wir sind aber die erste Generation in Iran, auf die die staatlichen Ideale keinen großen Einfluss mehr haben. Das kannst du ja schon daran erkennen, welche Musik wir machen und wie wir aussehen . . .

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die iranische Popband Arian hat sich vor kurzem aufgelöst, weil sie es leid war, für ihre Musik gegen religiöse Hardliner kämpfen zu müssen . . . Kann man in Iran eine Rockband sein?

Behrooz: Du kannst in Iran alles sein, was du willst, auch die Musik spielen, die du spielen willst – aber wenn du möchtest, dass die auch jemand hören kann, dann brauchst du von der Obrigkeit eine Erlaubnis, und die bekommt kaum jemand. Der Staat kann dir verbieten, Alben zu veröffentlichen oder Live-Shows zu spielen. Diese Tour ist für uns also die einzige Möglichkeit, wirklich auf einer Bühne aufzutreten, und jedes Mal ist für uns großartig!

 

Seid ihr in eurer Heimat politisch aktiv?

Amit: Als Personen haben wir natürlich eine Meinung, versuchen, uns zu beteiligen und informiert zu sein. Aber wir wollen die Musik nicht damit vermischen. Falls wir irgendwann mal das Gefühl haben, ein politisches Album machen zu müssen, dann machen wir das. Aber genauso gut könnte es sein, dass wir mal das Gefühl haben, ein Instrumental-Album nur mit Cello machen zu müssen . . .

Behrooz: Unsere Band ist auch nicht politisch, ich persönlich bin es aber schon. In einem Land wie Iran musst du politisch sein, weil alles politisch ist. Früher oder später kommt jeder damit in Berührung.

 

Seid ihr in euren Heimatländern berühmt?

Amit: Wir sind nicht sooo berühmt, denn die Musik, die wir machen, ist für jeden erst mal ein bisschen fremd. Ein paar unserer Songs sind mit Klezmer-Elementen, andere sind auf Jiddisch – das ist ja quasi eine tote Sprache und dann versteht uns kaum jemand. Wir laufen nicht im Radio oder so. Was super ist – denn wenn niemand weiß, was du eigentlich genau sein sollst, dann kannst du sein, was immer du willst!

Behrooz: Ich kann das für uns gar nicht sagen, es gibt ja keine Albumverkäufe oder Statistiken. In Relation zur Bevölkerungszahl sind wir wohl nicht bekannt. Aber klar, die Leute in der Underground-Szene kennen uns.

 

Haben die Terroranschläge in Paris für euch was verändert? Immerhin galten sie unter anderem einem Konzert . . .

Amit: Die Daten stehen und wir machen einfach weiter Musik. Das fühlt sich nach den Anschlägen richtig an – aber es hat sich vorher auch schon richtig angefühlt.

Behrooz: Diese Anschläge sind nur ein Ereignis, das uns wieder zeigt, wie brutal Menschen sein können. Das Gleiche ist ja gerade in Beirut passiert, es passiert überall. Aber so eine Tour ist eine gute Gelegenheit, um zu sagen: Hey, lasst uns Spaß haben und Musik in unser Leben bringen. Ohne sich darum zu kümmern, woher jemand kommt. Frieden, das ist alles, worum es bei dieser Tour geht.

 

 

Kommende Termine der Secret Handshake Tour: 23.11. Wiesbaden, 24.11. Konstanz, 26.11. Nürnberg, 27.11. Künzelsau, 28.11. München und 03.12. Frankfurt.

 

Text: nadja-schlueter

  • teilen
  • schließen