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Space Cookies

Text: rekwiem

Wenn man nicht mehr studiert, aber trotzdem in Marburg ist, dann ist das gar nicht so einfach, neue Leute kennen zu lernen, gerade wenn man neue Leute nicht mag. Es ist aber schön, wenigstens ein paar Leute zu haben, die man mag und kennt. Da stellt sich immer mal die Frage, wie lernt man denn neue Leute kennen? Manchmal ist das voll gut jemanden anzuschubsen den man kennen lernen mag. Dann sagt man "ups, tut mir leid, ist was passiert?" und schon ist man im Gespräch.



Dummerweise bin ich etwas ungeschickt mit dem Auto. das klingt jetzt vielleicht schlimmer, als es ist: Ich nehme natürlich nicht mein eigenes Auto. Außerdem treffe ich die Person meistens ja gar nicht. Nee, wenn es eine echte Gefahr wäre, da würde ich so was natürlich nicht machen. Es ist eher wie beim Darten. Wenn ich da in die Mitte ziele, dann treffe ich ja häufiger drumrum und wenn ich jemanden sanft schubsen will, dann treffe ich häufiger die Personen drumrum. Braucht man halt mehr Versuche, aber egal.



An dem Tag lief das alles aber irgendwie nicht so gut und ich lernte niemanden so richtig kennen. Ich gab Waldemar seine Autoschlüssel zurück. Eigentlich leihe ich mir immer nur Waldemar sein Auto aus, weil ich mir denke, dass wir uns so vielleicht anfreunden (und natürlich, weil ich es schlimm fände, wenn mein Auto so lädiert werden würde). Dann machte ich mich alleine heim.



Es ist jetzt nicht so, dass ich mich nicht selbst beschäftigen kann, ich habe schon so meine Interessen. Zum Beispiel interessiere ich mich privat für Gelbe Säcke. Also, um genau zu sein interessiere ich mich dafür, wann mein Mitbewohner mal an Gelbe Säcke denkt. Is´n schönes Hobby, schon länger, ist auch schön, weil es nicht so zeitaufwendig ist. Natürlich könnte ich auch welche holen, aber vielleicht interessiert sich mein Mitbewohner ja auch für Gelbe Säcke.



Jedenfalls freute ich mich, als Waldemar anrief, ob ich nicht Lust hätte heute Abend mit zum Handball-Finale zu gehen. Wir also hin und Bier und Pommes und so und beim Handball ist das ja relativ selten, dass es am Ende Unentschieden steht und dann Verlängerung und 7-Meter-Werfen aber hier schon. Waldemar meinte, dass sei schon letztes Jahr schon so gewesen und auch im Jahr davor. Deswegen sei das Finale der Deutschen Meisterschaft der Contergan-Geschädigten sein Geheimtipp unter den Sportereignissen. Um ehrlich zu sein, finde ich das sehr geschmacklos. Das war ein großer Skandal damals und die Leute mussten vor Gericht ziehen und prozessieren und darüber sollte man vielleicht keine Witze machen. Immerhin haben sie etwas bewegt. Also: Linkshänder gab es schon immer, Linkshänderscheren aber erst seit vielleicht 200 Jahren. Contergan-Geschädigte gibt es seit knapp 50 Jahren, da gab es aber quasi sofort Ärmellose T-Shirts, ist ja schön, wenn die Leute heute schneller an Hilfsmittel kommen.



Nach dem Spiel schlug Waldemar dann etwas vor, was mich sehr freute. Weil früher haben sich voll viele Menschen für den Weltraum und andere Sterne und Galaxien und so interessiert, aber heute kaum mehr. Waldemar sagte aber,  dass er noch ein paar Space Cookies hätte, die könnten wir doch essen und Spielekonsole oder so. Fand ich super, weil, ich mag Kekse, zum Beispiel habe ich einen Pullover, auf dem eine Milchtüte zu einen Cookie "ich liebe dich" sagt.



Ich fand das auch superweil: als ich größer wurde, da wurden andere Menschen auch größer bzw. mittlerweile werden sie eher älter, beenden ihr Studium und verdienen auf einmal Geld. Dann kaufen sie sich alberne teure Dinge, krass teure Kaffeevollautomaten, Golfausrüstungen, neue Autos oder auch Windeln, Windeln sind auf Dauer voll teuer und scheinen auch viel Zeit wegzunehmen! Aber egal, gerade diese Kaffeevollautomaten-Menschen fachsimpeln dann über ihre teuren Spielzeuge. Ich sitz dann da meistens rum, trinke guten Kaffee und finde das alles sehr albern. Und Waldemar sagt einfach: Kekse und Spielekonsole?! Super auch: weil ich hatte noch Milch. Waldemar holte also die Kekse und wir dann bei uns auf dem Sofa und Spielekonsole.



Die Kekse waren recht lecker und normalerweise hätte ich mich geärgert, weil Waldemar schnell voll gut an der Konsole wurde und mich immer öfter einfach abzog. Aber an dem Abend fand ich das ok. Irgendwann war es dann aber so spät und wir so fertig, dass wir lachen mussten aber dann legten wir uns einfach in mein Bett und schliefen ein.



Am nächsten Morgen klingelte mein Wecker, ich wachte auf, Waldemar lag neben mir, ich fühlte mich seltsam, und hatte wirklich keine Lust auf Arbeit zu fahren, musste aber. Ich hörte ein "Peter, ich habe dir ins Bett gekackt", was mich etwas wacher machte. Ich fand das ziemlich unwahrscheinlich, und ich roch auch nichts, vielleicht wegen Decke? Aber es wiederholte sich: „Peter, ich habe dir ins Bett gekackt“. Da es sich noch mal wiederholte, fing ich kurz an darüber nachzudenken: ich musste zur Arbeit, hatte keine Zeit, von daher konnte ich gerade sowieso nichts machen. Ich ging ins Bad, machte mich fertig und ging noch mal in mein Zimmer, weil ich noch meinen Rucksack holen musste.



Ich schaute Waldemar an, mit dem ich gestern so viel Spaß gehabt hatte und der jetzt offensichtlich in mein Bett gekackt hatte. Wenn man Dinge nicht ändern kann, dann muss man sie akzeptieren und mit Humor nehmen. Ich schaute Waldemar an, der wohl wieder schlief und sagte: „Waldemar, du darfst auch in mein Bett kacken.“ Dann ging ich. Als ich dann von der Arbeit wiederkam, schien alles ok. zu sein. Entweder Waldemar  hatte wirklich aufgeräumt, oder ich hatte alles nur geträumt. Wahrscheinlich letzteres. Jedenfalls freute ich mich, das war ein schöner Abend gewesen, vielleicht bald wieder und Waldemar schien nett zu sein.



 



Irgendwann erzählte Waldemar, wie er den Morgen erlebte:



"Ich liege im Bett, Peter kommt ins Zimmer, ich lasse die Augen zu und höre ihn sagen: Waldemar , Du darfst auch in mein Bett kacken." Dann geht er einfach weg.



 

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