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Unbezahlt ist ungesehen

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Eigentlich heißt Marie nicht Marie. Ihr Name soll nicht genannt werden. Sie selbst kann zwar in ihrer Abteilung offen über die Arbeit der Praktikanten-Initiative sprechen, aber nicht alle bei der UN freuen sich über den engagierten Nachwuchs.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jetzt.de: Vor drei Monaten gab es in New York und Genf zum ersten Mal Proteste gegen die schlechten Arbeitsbedingungen von Praktikanten bei der UN. Letzte Woche wart ihr mit einer größeren Aktion in den Medien. Worum ging es da?

Marie: Am Dienstag war internationaler Praktikantentag. Zu diesem Anlass wollten wir natürlich auch auf die verbesserungswürdigen Bedingungen der über tausend Praktikanten aufmerksam machen, die jedes Jahr bei den Vereinten Nationen arbeiten. Für den Abend hatten wir eine Paneldiskussion geplant und am Nachmittag sollte eine Fotoaktion stattfinden. Gerade, als wir unsere Fotos vor dem UN-Gebäude machen wollten, fing es an zu regnen. Als wir dann ins Gebäude gegangen sind, um dort ein paar Bilder im Trockenen zu machen, wurden wir gleich vom Sicherheitspersonal aufgefordert, unsere Schilder zu entfernen und die Aufnahmen zu unterlassen.

Darf man bei der UN nicht protestieren?

Die Aktion war eigentlich nicht als Protest geplant. Im Gegenteil: Die Aktion war eine Idee von unserer Partnerinitiative aus Genf und eher als kleiner Flashmob gedacht. Wir hatten Schilder dabei auf denen stand „Unbezahlt ist Ungesehen“. Dazu hatten wir viele einsame Schuhe als Symbol für all diejenigen vor uns gestellt, die sich gar nicht erst ein Praktikum bei der UN leisten können. Ähnliche Fotos hatten wir früher schon mal für unsere Facebook-Seite gemacht. Wir hatten aber nicht damit gerechnet, dass der Zwischenfall mit dem Sicherheitspersonal solche Wellen schlagen würde. Uns lag es eher daran, auf die Bedingungen von Praktikanten aufmerksam zu machen.

Im August hattet ihr einen Beschwerdebrief an Ban Ki Moon veröffentlicht. Gab es da jemals eine Antwort?

Leider keine von Ban Ki Moon persönlich. Stattdessen hat uns einer seiner Untergeneralsekretäre geantwortet. Uns wurde ein Gespräch mit der Führung der Personalabteilung angeboten.

Ein kleiner Erfolg?

Erst mal waren wir darüber schon froh, aber auf unsere zahlreichen E-Mails und Anrufe, um dann wirklich ein Treffen zu vereinbaren, kam leider bis jetzt keine Antwort. Mittlerweile ist uns klar geworden, dass wir unsere Forderungen an den entsprechenden Verwaltungs- und Haushaltsausschuss richten müssen- dort müssen wir mit den Deligierten der verschiedenen Ländern reden.

Was fordert ihr genau?

Das Mindeste: Wir fordern nicht mal einen richtigen Lohn. Uns ist schon klar, dass man sich als Praktikant nichts dazu verdienen kann. Aber wenn man in Genf oder New York arbeitet, braucht man zumindest ein Stipendium für die Lebenshaltungskosten. Ansonsten können sich nur soziale Eliten ein Praktikum leisten und das widerspricht eigentlich dem Ethos der UN. In einem Bericht ist von mehr als 4000 UN Praktikanten in einem Zeitraum von zwei Jahren die Rede, da werden aber UN-Sonderorganisationen gar nicht erfasst. Aus der Statistik geht auch hervor, dass die Mehrzahl der Praktikanten aus den westlich-europäischen Ländern kommt. Junge Menschen aus Entwicklungsländern können sich einfach kein Praktikum leisten und haben damit auch schlechtere Chancen überhaupt irgendwie bei der UN zu arbeiten. Zudem fordern wir eine bessere Organisation und Qualitätskontrolle der Praktika bei der UN.

Wie macht man als Praktikantin den UN-Delegierten so ein Thema schmackhaft?

Viele sind überrascht, dass sich unsere Initiative nicht nach dem Brief wieder aufgelöst hat und wir weitermachen. Intern wird vermehrt über unsere Initiative gesprochen und trotzdem sind sich viele Delegierte über die schwierige Lage der Praktikanten nicht bewusst. Oft fordern sie mehr  Informationen, obwohl es Dokumente dazu gibt, die für jeden einsehbar sind. Viele sind von den Fakten überrascht. Da merkt man, dass das Thema bis jetzt keinen besonders hohen Stellenwert hatte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Hast du Angst, dass Eure Initiative in den Tiefen der Bürokratie versickert?

Man darf sich nicht von den langsamen Mühlen abschrecken lassen. Es ist schon mal ein kleiner Fortschritt, dass sich die Delegierten überhaupt mit uns treffen. Uns wird immer wieder gesagt, dass der offizielle Weg sehr lange dauern wird, wenn wir von innen etwas bewegen wollen. Aber wir lassen uns davon nicht entmutigen.

 

Also weitermachen?

Auf jeden Fall. Ich hoffe wirklich, dass wir es auf lange Sicht schaffen, die Initiative am Leben zu halten. Alle von uns sind höchstens nur sechs Monate vor Ort. Dementsprechend ist eine der größten Herausforderungen für unsere Initiative, dass unsere Arbeit nicht einfach versandet und dass die Informationen an die kommende Generation weitergegeben werden. Wir wollen uns außerdem besser aufstellen, zum Beispiel mit einer Webseite. Nach wie vor ist es nicht leicht, an neue Praktikanten ranzukommen, weil es keinen Verteiler mit E-Mailadressen von allen Praktikanten der UN gibt. Auch deswegen soll die Praktikanten-Initiative eine feste Institution werden, an die sich zukünftige Praktikanten wenden können. Wir haben einen langen Atem.

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