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Meine Straße: Türkenstraße

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Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen, die nettesten Anekdoten. Heute:
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Fumiko, 28, Journalistin

Die Türkenstraße hat eigentlich alles, was man sich wünschen kann: ein altes Kino, das Arri, die beste Eisdiele Münchens, Ballabeni, eine Wiese zum Eisessen zwischen der Pinakothek der Moderne und dem Museum Brandhorst, süße kleine Cafés, Klamottenläden für Hipster mit Geld, daneben alteingesessene Kramläden, schöne alte Häuser, immer mehr Bars und viele Plätze zum Draußensitzen.
 
Außerdem hat die Straße ihre ganz eigene Klangkulisse. Zum Beispiel am Brandhorst: Wenn da der Wind geht, dann pfeift es so durch die Stäbe – das ist ein total weirdes, irgendwie magisches Geräusch. Oder im Sommer, abends, wenn es ganz heiß war und die Stäbe langsam abkühlen: dann knacken die so. Ich sitze dann total gerne davor, esse mein Eis vom Ballabeni und höre zu.

Am Arri-Kino mag ich, dass es noch eine alte Steckschrift über dem Eingang hat und dass es auch drinnen irgendwie toll aussieht, mit dem Foyer, in dem man vor dem Film noch etwas sitzen kann. Und alle, die da arbeiten, sind total nett. Und das Programm ist eh immer super zusammengestellt.
 
Auf den großen Holzstufen vor dem Kunstakademie-Café sitze ich gerne. Da kann man hervorragend Mittag essen. Das ist nicht teuer und immer von bester Qualität. 
 
Im Eiscafé Adria gibt es auch köstliche Pasta mit frischen Tomaten, die man, wenn man möchte, direkt gegenüber an die Mauer vor der Türkenschule serviert bekommt. Dort sitze ich im Sommer gern mit Freunden und einer Flasche Wein. Außerdem gibt es im Adria das beste Spaghettieis. Die machen noch richtige weiße Schokolade drauf, nicht Kokosraspel. Das beste Schnitzel gibt es im Georgenhof. Mein Haus- und Hofcafé aber ist der Laden, da gibt es eine unschlagbare Spaghetti Bolo und eine großartige Schokotarte. Wenn Pius hinter der Bar steht, quatsche ich immer gerne mit ihm. Setzt man sich zu ihm, weiß man auch gleich, was demnächst in der Gegend so geht. Er ist das Orakel des Viertels.
 
Über dem Laden wohnte immer ein sehr berühmter Künstler, der nur einen einzigen Finger bewegen kann. Er macht so ein bisschen kitschige 3-D-Kunst, im Schaufenster vom Ballabeni kann man die im Winter sehen. Aber seine Werke sind extrem beliebt, deshalb hängt er auf Geburtstagen von Leuten wie Jay Z oder P. Diddy ab. Der suchte immer wieder Studenten, die ihn pflegen. Ich habe ihn allerdings lang nicht mehr gesehen und sein großes Auto steht auch nicht mehr in der Straße.
 
Überhaupt gibt es in der Türkenstraße viele Charaktergestalten. Die alte Frau aus dem grünen Haus rechts neben dem Tengelmann zum Beispiel, mit ihrem Hund Cindy. Die geht immer spazieren und quatscht einen auch gern mal an. Abends sitzt sie vorm Café Puck und trinkt ihr Bier. Dabei besteht sie darauf, dass es ein Radler und kein Bier ist. Sie erzählt auch gern von den vielen Männern, die sie schon überlebt hat. Und sie trägt immer Käppi.
 
Gegenüber vom Laden ist ein Studentenwohnheim in einem wunderschönen Altbau. Da gibt es, wenn Fußball ist, ab und an inoffizielle Kneipenabende. Man muss nur klopfen und ein wenig Glück haben. Bier: ein Euro. Ein paar Läden weiter ist die Fox Bar, ein ganz netter Laden, der immer eine gute Alternative ist, wenn man mal keine Lust auf Boazn oder Wirtschaft hat.
 
Der Suckfüll ist natürlich eine totale Institution in der Türkenstraße und hat mir schon oft in akuter Haushaltsnot weitergeholfen. Da gibt es einfach alles, was man brauchen könnte, quasi Haushaltswarenladen, Mini-Baumarkt und Schlüsseldienst in einem. Und die haben richtig viele Angestellte, die alle ganz genau Bescheid wissen in ihrem Fachbereich. Hoffentlich wird es den Suckfüll noch lange geben.
 
Im Schreibwarenladen Zuerl kaufe ich gern Postkarten, die haben welche mit alten Münchenmotiven, drucken aber auch eigene. Außerdem haben sie die schönsten Kassenzettel überhaupt: zweifarbig gedruckt, rot und schwarz. Super ist auch, dass es in der Türkenstraße einen Apothekenautomaten gibt, an dem man Tag und Nacht die wichtigsten Sachen kriegt.
 
Als Kind wollte ich immer im Türkenhof wohnen, da sind die Häuser so bunt und süß. Sollte man sich mal ansehen, einfach in den Hinterhof der Gastwirtschaft Türkenhof gehen. Man kann in der Türkenstraße auch gut auf ein paar Dächer klettern, ohne all zu vielen Menschen zu begegnen. Beeindruckend ist auch, dass die Türkenstraße so viele Hinterhäuser hat, zwei Reihen sogar. Und ein ganzes Heizkraftwerk hat hier auch noch Platz, zwischen Türken- und Amalienstraße steht ja so ein riesiger Kessel.

Text: mercedes-lauenstein - Foto: juri-gottschall

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