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Dale surfte 40 Jahre lang jeden Tag - bis diesen Montag

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Die genaue Zahl kennt er selbst nicht. Aber 43.800 Wellen waren es mindestens, die Dale Webster in den vergangenen 40 Jahren gesurft ist. Die Aufgabe, die er sich selbst stellte, lautete: Gehe jeden Tag surfen. Und reite dabei jeden Tag mindestens drei Wellen. Deshalb 43.800: 40 Jahre mal 365 Tage mal drei Wellen. Dales Spitzname ist „Everyday Dale“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Das x 43.800 = die vergangenen 40 Jahre in Dales Leben

Am 5. Oktober aber war Schluss. Es war der erste Tag, an dem Dale nicht im Meer war. Allerdings nicht freiwillig. Wahrscheinlich hätte er noch ewig so weiter gemacht, denn Dale hatte sich bislang von nichts abbringen lassen. Nicht von schlechtem Wetter, nicht von der Kälte des Winters, nicht von kaum surfbaren Mini-Wellen und nicht von riesigen - und die gibt es in seiner Heimat in Nordkalifornien durchaus öfter. Dale surfte an Tagen, an denen der Wind so stark war, dass er sein Surfbrett fast nicht über den Strand tragen konnte. Er surfte, als der Sturm ihm Hagelkörner waagrecht ins Gesicht schoss, so heftig, dass er danach blaue Flecken im Gesicht und ein blaues Auge hatte. Er surfte an dem Tag, an dem seine Tochter geboren wurde. Und er surfte an dem Tag, an dem seine Frau an Krebs starb.

Warum Dale damit begann? Es gibt verschiedene Versionen der Geschichte, er erzählt sie selbst immer ein bisschen anders. Klar ist: Am Anfang stand nicht der Plan dahinter, das so lange zu machen. „Als ich anfing, dachte ich nicht, dass ich das jemals machen würde“, sagte Dale dem Surfer Magazine. Am Anfang, im Herbst 1975, waren einfach die Wellen gut. Dale surfte jeden Tag, und die Wellen wurden jeden Tag ein bisschen besser. Nach 85 Surftagen ohne Unterbrechung sagte ein Freund: Dale, du könntest doch die 100 Tage voll machen. Dale machte die 100 Tage voll. Die Geschichte stand in der Lokalzeitung, die Leute ermutigten ihn, weiterzumachen. Er nahm sich vor, ein Jahr jeden Tag zu surfen. Tja, und dann ging das alles einfach irgendwie so weiter. Mehr Wellen, mehr Aufmerksamkeit, mehr Ansporn.

Und dann ist da natürlich noch die Liebe zum Surfen an sich. Die hört und sieht man in Interviews mit Dave, und die spürt man, wenn man ihn surfen sieht, zum Beispiel in der Doku „Step into Liquid“ von 2003. Dale surft nicht besonders spektakulär oder ansehnlich, aber mit deutlich erkennbarer Passion: Er dreht sich manchmal zur Welle um, anstatt nach vorne zu schauen. Ein bisschen wirkt das, als wolle er sich beim Ozean und der Natur bedanken.

http://www.youtube.com/watch?v=HsQB8j4ez64
Dale taucht in dem Film ungefähr bei Minute 19 auf. (Der Rest ist aber auch zu empfehlen.)

Dieses Frühjahr bekam Dale dann eine unangenehme Diagnose: Nierensteine. Die Ärzte schlugen eine sofortige OP vor, aber er lehnte ab. Er wollte noch bis zum 3. September weitersurfen - bis die 40 Jahre auf den Tag genau voll sind.

Es wurde dann sogar noch ein Monat mehr, bis er einen Tag ohne Surfen einlegte. Ein emotionaler Moment, wie er dem Surfer Magazine sagte, aber auch ein Moment der Erleichterung. Denn jetzt ist Dale nicht mehr ans Meer gefesselt. „Ich will wieder reisen“, sagte Dale. „Meine weiteste Reise in den letzten 40 Jahren war nach Lake Tahoe“. Das sind knapp 300 Kilometer.

Man muss wohl also auch sagen: Dale ist ein ziemlicher Sturkopf. Ein Mensch, der hartnäckig ist und bei dem Ausreden nicht zählen. Diese Hartnäckigkeit scheint erblich zu sein: Seine Tochter hält an ihrer Schule den Rekord für die längste Zeit ohne Fehltag.


Text: christian-helten - Foto: encyclopediaofsurfing

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