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aka Schamlippenverkleinerungsselbsterfahrung

Text: Madita1989

„Got a new pussy?“ schreibt mein Exfreund mir kurz nach der OP. Den Abend vorher hatte ich ihn aufgrund meiner Zweifel angerufen und noch mal um Rat gebeten. Er hat alles mögliche gesagt: „Wenn dich jemand liebt, wird’s nicht an daran scheitern, wie du unten rum aussiehst!“ Was ich gerne gehört hätte, wären Sätze gewesen wie: „Du bist eine wunderschöne Frau, mach dir mal keine Gedanken!“ „Du bist perfekt so wie du bist und lass dir von niemandem was anderes einreden!“ Als wir 3 Jahre vorher zusammen gekommen sind, sprach ich ihn darauf an, warum er mich nicht oral befriedigt. „Ich hab das so einfach noch nie gesehen!“ war seine unbeholfene Antwort und meine Reaktion darauf natürlich großes Unbehagen.



Mein anderer Exfreund hat mich mit dem Auto zur Praxisklinik hingefahren: „Darf ich noch mal gucken?“ Ich gucke ihn verwirrt an, schon seit 4 Jahren sind wir getrennt. „Nein!“ rufe ich laut und schüttel den Kopf. „An deiner Stelle hätte ich es auch gemacht!“ beruhigt er mich später. „Was für ein Idiot!“ denke ich mittlerweile.



Immer mehr Frauen lassen sich im Intimbereich operieren, von Schamlippenstraffung bis zur Wiederherstellung des Jungfernhäutchens ist alles möglich. Ich wollte kleinere innere Schamlippen, weil diese länger waren als die Äußeren. Schon mit 11 Jahren war ich das erste Mal mit meiner Mutter bei der Frauenärztin, da hatte ich noch nicht einmal meine Periode. „Das Kind hat da was Komisches!“ Die Gynäkologin klärte meine Mutter auf: Das ist total normal, die kommt in die Pubertät. Dieses Erlebnis speicherte sich als Trauma in mein Gehirn ein – da stimmt etwas nicht mit meinem weiblichen Geschlecht. Auch wenn meine Partner nie etwas dazu sagten, fühlte ich mich doch immer in der Sauna unwohl und fand auch in der Sammeldusche nicht, dass das bei anderen Frauen auch so aussieht. Auf Internetbildern sah ich nur schön bearbeitete Bilder, die mich noch mehr einschüchterten. Nachdem ich jahrelang hin- und her- überlegte, wollte ich nun unbedingt eine Schamlippenverkleinerung. Ich schaute mir den Film „Vulva 3.0“ an, der diesen Trend der Intimchirurgie sehr kritisch betrachtet. Meine Frauenärztin sagte, dass früher nur wenige Menschen sich im Intimbereich rasiert haben und deshalb die verschiedenen Formen nicht so aufgefallen seien. Auch das konnte mich nicht umstimmen. Ich hatte Angst vor der Situation, dass wieder ein Mann zwischen meinen Beinen zugange ist und denkt: „Ach herrjemine!!“



Die plastische Chirurgin in Hamburg erzählte von ihrer Lasermethode und den guten Ergebnissen. Ich ließ hörte kaum, dass die ersten vier Wochen nur mit dem Verzicht auf Sex, Sport, Fahrrad fahren, etc. zu meistern sind und erst nach 4 Monaten die Wunde geheilt ist. Ich bezahlte 1200€, die schon schmerzten, weil mir so viele sinnvollere Sachen eingefallen sind, die ich damit hätte bezahlen können. Die Betäubung der Schamlippen alleine ist schon ein Trauma: Mindestens 12 Betäubungsspritzen sind das schmerzhafteste, was ich je erlebt habe. Du sitzt eine Stunde auf einer Liege, darfst dich nicht bewegen, weil alles steril ist. Der Laser bruzzelt die Haut weg. Es dampft und riecht wie beim Hufschmied. Als ich dort lag, dachte ich: „Das kann doch nicht gut sein!? Was machen die da mit meiner Weiblichkeit?“ Ich fühlte mich wie die afrikanischen Mädchen im Film Wüstenblume. Irgendwie ohnmächtig der Situation gegenüber.



Wenn die Betäubung verschwunden ist, folgen die Schmerzen. Ich war für einige Tage invalide – jede Bewegung schmerzte. Schwellungen und Blutergüsse sind nach der Operation normal. Ja natürlich: Ich schaue jetzt in den Spiegel und sehe eine angepasste Muschi wie im Porno. Aber will ich das sein? Will ich angepasst sein und wirklich von Menschen geliebt werden, die auf so etwas achten? Ich setze mich seitdem extrem mit dem Thema Selbstliebe auseinander und glaube, dass uns Frauen immer noch eine Menge Selbstbewusstsein fehlt. Nur wenn wir alle Seiten in uns integrieren, auch schlechte Gedanken und Zweifel, können wir uns und andere lieben. Nur wenn wir uns selbst mögen, bringen wir uns nicht in die Situation von irgendwelchen Idioten bewertet zu werden, die das nicht ansehnlich genug finden. Männer kennen Muschis aus Pornos und denken, alle sind so schön rasiert und sehen aus wie kleine Mädchen. Nein! Das ist NICHT die Realität und das sollte sie auch nicht sein!



Ich möchte mit diesem Text an alle Frauen appellieren, die diese Operation in Erwägung ziehen und auch alle Ärzte ansprechen, die mit diesen Verfahren zutun haben: Ja, plastische Chirurgie kann vielen Menschen, z.B. nach Unfällen, erheblich weiterhelfen und die medizinischen Errungenschaften auf dem Gebiet sind sicherlich für viele ein Geschenk. ABER: Es ist wesentlich wichtiger, dass wir eine andere Perspektive auf diese Dinge einnehmen! Wir, die Frauengeneration in den Mittzwanzigern sollten selbstbewusst auf unsere Weiblichkeit schauen und uns nicht verurteilen dafür, wer wir sind und wie wir aussehen. Wir haben die letzten Jahrhunderte genug Schuld auf uns geladen und ich wünsche mir, dass wir in unsere Kraft kommen, die weibliche Energie insgesamt mehr in die Welt zu tragen. Wir haben power und Rechte und dazu gehören auch Vaginas in all ihrer Form. Kein Mann macht sich darüber Gedanken, seinen Penis begradigen zu lassen, weil er ein bisschen schief ist. Bei keinem Menschen ist alles richtig. Durch mehr Empathie für einander, dass jeder Makel hat, und durch mehr Respekt für einander, kann dieser Mangel an Selbstliebe behoben werden. Die Angst nicht richtig zu sein, schürt die Angst davor, sich nicht anpassen zu können. Wir beschneiden uns damit regelrecht unserer persönlichen und individuellen Macht. Wir machen uns abhängig davon, was andere Leute sagen; wie wir von Männern geliebt werden können. Und auch der Spruch „Nobody’s perfect!“ ist scheiße!! Wer bestimmt denn, was perfekt ist? Alles ist perfekt! Denn: Beauty is a matter of perspective.

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