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Diskotherapie

Text: Hoegni

 Im winzigen Club in der Friedrichstraße, etwas abseits vom Kern des Szeneviertels, geht man der Nacht noch gelassen entgegen. Die Musik ist gedämpft, die Tanzfläche leer, es ist erst elf Uhr am Donnerstagabend. Das überwiegend studentische Klientel des Lokals betritt nach und nach das umgebaute Kellergewölbe und verteilt sich auf Bar und Tische.



 Wir sitzen zu dritt an einem Ecktisch und gönnen uns zur Feier der bestandenen Prüfung Cocktails statt Bier. Ein Witz, eine Anekdote, Pläne für Samstag - Prost! Das normale Sozialrauschen umfängt einen, es entspannt. Zwischendurch streift mein Blick über die Gesichter der anderen Besucher. Nicht alle sind entspannt, mancher hat wohl große Erwartungen an den Abend, ein anderer sieht aus, als wäre er gerne ganz woanders.



 Ich bleibe bei einer Brünetten hängen, genau genommen beim Anblick ihres knackigen Hinterteils, dass dezent in eine grüne Jeans gehüllt zu bestimmten abschweifenden Gedanken einlädt, aber das Gespräch am Tisch vereitelt Träumereien.



 „...du!“ - „Ich?“ - „Ja, du. Jonas hat die letzte Runde geholt, du bist an der Reihe. Ich hab euch meine Ausarbeitung abschreiben lassen, somit bin ich aus dem Schneider.“, sagt Katha und weiß wie immer jede Diskussion zu vermeiden. Sie wendet sich ihrer Handtasche zu und beginnt in deren Chaos nach Zigaretten zu wühlen.. Ich stehe auf und gehe an die Bar.



 Am Tresen tausche ich Geld gegen drei White Russians. Auf einmal steht das brünnette Mädchen mit der grünen Hose neben mir und nimmt ein Bier in Empfang. Ich schaue einen Moment zu lange in die dunkelgrünen Augen und sie lächelt. Ein gewaltiger roter Hummer kracht durch das Lüftungsgitter in der Decke auf das Spirituosenregal.



 Flaschen zerbersten, eine Woge Whiskey-Tumbler ergießt sich aus dem Gläserschrank. Das offenbar tollwütige Tier schnappt um sich, während es versucht mit seinen Fühlern Orientierung zu finden. Vor Schreck lässt die junge, blonde Bedienung ihr Tablett fallen und hält sich mit beiden Händen die Augen zu. Der Hummer ergreift seine Chance und kneift ihr in die Nippel. Johann, der bärtige Hipster, seit 8 Jahren Inhaber greift eine 0,5er Flasche Augustiner und trifft die eiweißreiche Meeresdelikatesse am Kopf, sie ist sofort tot. Erleichtert zündet er sich einen Joint an, woraufhin der von hochprozentigem durchtränkte Barbereich großflächig in Flammen aufgeht.

Ich nehme meine Drinks und gehe zurück zum Ecktisch. Vielleicht hätte ich die Brünette einfach ansprechen sollen. Das tropfe Tier.



 



 



 






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