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Politischer Kampf - mit Playmobil

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Ursprünglich ist Nikos Papadopoulos, 36, promovierter Astrophysiker und Drehbuchschreiber. Seit zwei Jahren betreibt er den Blog "Plasticobilism", auf dem er die aktuelle politische Situation Griechenlands satirisch mit Playmobil kommentiert. Dabei ist der Blog oft stark deutschland- und europakritisch. Unsere Fragen hat er per Mail beantwortet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

 Zuspitzung ist Papadopoulos Stärke. 

Wie würdest du das nennen, was du auf deinem Blog machst. Ist das Kunst? Satire? Politische Bildung?
Das kann jeder Leser selbst entscheiden. Ich selbst würde aber sagen: Es ist Satire und gleichzeitig ein Tagebuch über die harte tägliche Realität in Griechenland. Wobei das natürlich nicht nur Griechenland betrifft. Für mich selbst ist der Blog aber auch eine Art Therapie: Ich konnte einfach nicht mehr still sein, die Dinge nicht unkommentiert lassen.

In deinen eigenen Worten - was bedeutet es momentan, Grieche zu sein?
Es heißt bankrott, arbeitslos, betrogen von der Politik, hoffnungslos und arm zu sein. Und gleichzeitig bedeutet es, alles was man hat, mit Leuten zu teilen, denen es noch schlechter geht, als einem selbst. Und wenn es nur eine Umarmung ist.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eine ziemlich genaue Nachstellung eines echten Bildes. 

Warum benutzt du ausgerechnet Playmobil um die Politik zu kommentieren?
Alles fing damit an, dass ich mit meinem älteren Sohn mit Playmobil spielte. Dabei dachte ich darüber nach, dass dieses Spielzeug immer noch kindliche Unschuld und Reinheit symbolisiert. Die Männchen lächeln immer, selbst wenn man sie in grausame Szenen setzt. Und an diese Kindersicht auf die Dinge wollte ich die Menschen wieder erinnern, das haben viele von uns leider verloren. Wir sind unemotional, apathisch und unsensibel gegenüber den Grausamkeiten in unserer Welt geworden. Nichts schockiert uns mehr. Mit meinen Playmobil-Szenen will ich die Herzen der Menschen berühren. Sie daran erinnern, was Menschlichkeit bedeutet. 

Einem Bericht zufolge wurde dein erster Blog von Playmobil dichtgemacht - weil er zu politisch sei. Stimmt die Geschichte?
Ja, das ist wahr. Die deutsche Firma hat meine erste Facebookseite (Die Playmobilisim hieß, Anm. d. R.) runternehmen lassen, ohne Vorwarnung, weil ich ihre Markenrechte verletzt hätte und ihre Produkte "politisch" benutzen würde. Also habe ich die neue Seite “Plasticobilism” genannt. Da wurde ich aber wieder von der Firma kontaktiert, dass sie die Seite runternehmen lassen würden, wenn ich nicht alle Fotos mit politischem Inhalt entferne. Mittlerweile haben wir ausgehandelt, dass ich die Sachen drauflassen darf, wenn ich einen Warnhinweis auf die Seite stelle, dass das alles nichts mit der Firma Playmobil zu tun habe. 
Ich finde aber auch, dass ich das Recht habe, selbst erworbenes Spielzeug so zu benutzen, wie ich möchte. Ansonsten könnte ein Stiftehersteller den Käufern ja auch sagen: Ihr dürft damit nur aufschreiben, was wir genehmigen. Das wäre beides Zensur.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nikos Post kurz vor der Wahl. Bildunterschrift: Wahlen im Protektorat.

Deine Posts bezüglich der Wahl in Griechenland vergangenen Sonntag wirken sehr zynisch. So, als hättest du keine wirkliche Wahl gehabt. Kannst du das genauer erklären?
Für mich waren die letzen Wahlen in Griechenland eine Farce. Als wären wir ein Protektorat von Europa, in dem man Menschen die Illusion gibt, sie hätten eine Vielfalt demokratischer Optionen, dabei wurde über ihr Schicksal längst über die Bevölkerung hinweg entschieden.  Es ging nur noch darum, bereits von der vorherigen Regierung unterzeichnete Memorandum (also die gemeinsam mit EU, EZB, IWF und Troika festgelegten Sparmaßnahmen, Anm. d. R.) politisch legalisieren zu lassen und damit unsere Entscheidung im Referendum gegen weitere Sparmaßnahmen für nichtig zu erklären. Die Wahl am Sonntag war also eigentlich nur eine Entscheidung für einen Premierminister, der die Arbeit der vorherigen fortsetzt. Wie soll ich mich da frei fühlen?    

Hast du dann überhaupt am Sonntag gewählt? Und wie beurteilst du das Wahlergebnis?
Ja, ich habe gewählt, aber nicht die Memorandum-Parteien. Ich hätte gedacht, dass das mehr Leute so sehen, dass die Wähler sich nach einem "Schluss mit der Sparpolitik" sehnen. Von der Wahl bin ich deshalb sehr enttäuscht, sie bewegt Griechenland weiter in die falsche Richtung. Denn dass die Sparpolitik uns nur auslaugt und nicht hilft, hat die Vergangenheit doch bereits gezeigt. Das Leben in Griechenland wird nur noch von Armut, Arbeitslosigkeit und der Angst vor morgen bestimmt. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ein weiter Post kurz vor der Wahl. Bildunterschrift: Demokratie in Griechenland - wer wird Angelas neues Haustier?

Unsere Kanzlerin Angela Merkel kommt auf deinem Blog auch nicht gut weg. Was denkst du über sie?  
Sie ist die Herrscherin von Europa. Sie entscheidet über die Regeln und die Zukunft der Europäer. Dass sie kürzlich die deutschen Grenzen für Flüchtlinge zugemacht hat, zeigt, was ihre Vision für Europa ist. Und was sie generell von der Menschheit denkt.

So stimmt das aber nicht ganz - es kommen schon noch Flüchtlinge nach Deutschland rein, allerdings nicht mehr alle und es gibt Grenzkontrollen.
Das weiß ich, es bestärkt mich aber noch mehr in meiner Haltung. Weil es mich daran erinnert, dass wir hier in den südlichen Ländern alle Flüchtlinge reinlassen. Und ich finde, dass wir dabei von Europa, das ja eigentlich vereinigt sein sollte, nicht unterstützt werden.

Wie reagieren die Griechen auf deinen Blog?
Die meisten nehmen ihn sehr ernst, weil sie meine Gefühle gegenüber der Politik teilen. Ich bekomme jeden Tag Nachrichten von Menschen, die mir schreiben, dass sie meine Arbeit unterstützen und hoffen, dass ich weitermache. So lange ich diese Akzeptanz erlebe, tue ich das auch.





Text: charlotte-haunhorst - Fotos: Nikos Papadopoulos

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