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Entschuldige m-/dich für eine Weile.

Text: Alecsis
Ich habe es nicht ertragen, dich so zu sehen.
Viel zu lang war das letzte Mal her, als du sagtest, dass wir uns nicht mehr sehen sollten. Nicht einmal als Freunde.

Ich bin zurückgekehrt, nach Hause, allein. Ich weiß, dass du weinend am Fenster gesessen hast, mit deinen Kopfhörern auf den Ohren - ich konnte dich sehen, als ich ging.

Ein Jahr war vergangen. Es ist kaum etwas passiert. Musste mich mit Schulbüchern rumschlagen für ihn, habe gearbeitet, ein paar Welpen großgezogen, die wir nicht abgeben konnten, weil Scott sie zu sehr liebt.

Dann kam ich zurück. Es war Zufall, aber manchmal will ich gar nicht daran glauben, denn es war unvorhersehbar, dass du an diesem Abend in dieser Bar sein würdest. Ich wusste, dass du deine High Heels an den Nagel gehangen hast. Deine Blusen und Hochsteckfrisuren den Shirts und Turnschuhen gewichen waren. Weil du dich selbst nicht mehr lieben konntest.

Nun sah ich dich dort, mit deinem Drink an der Bar, wie früher. Zwar wirst du - nein, älter will ich nicht sagen, erwachsener - aber dein Gesicht ändert sich nie. Ich kenne dich von Kindesbeinen an und schön warst du immerzu.

Aber noch nie so unglücklich.

Du hattest dich zwar zurecht gemacht, doch lebtest du das nicht mehr. Nicht den Trenchcoat, nicht die 14 cm Stilettos, auch nicht dieses silberne Armband.

Hipster-Bars nennen sie mittlerweile hier in Deutschland die Läden, in die wir früher gegangen waren, als wir noch bohéme lebten. Zumindest hatte die Rezeptionistin des Hotels sie so benannt.

Als ich mich dir nähere, legst du deine Lippen auf den Strohhalm, schaust auf die zahlreichen Flaschen hinter der Bar. Erinnerst du dich noch an den Mojito, kurz vor Sonnenaufgang, den ich dir dort gemixt hatte?

Ich lege meine Finger an meine Krawatte und beuge mich vor, um deine Wange zu küssen, als du fast vom Stuhl rutschst und umfällst. Es dauert einige Sekunden, doch du drückst mich fest an dich und ich weiß, dass ich dich die ganze Nacht in den Armen halten werde.

Wir reden nicht viel, bis zu dem Zeitpunkt, als wir in meinem Zimmer stehen (Gott weiß, wie wir dort hin kamen…) und ich dich endlich küsse. Es war noch nie so süß, so heiß, so kalt. Alles fiel von mir ab, von dir, wir sprachen nicht mit unseren Mündern.

Bis ich dich wieder morgens gehen lassen musste. Meine Hände waren in deinen Haaren vergraben, den schweren Locken.

Wir werden niemals zueinander finden, was auch passiert. Entschuldige mich für eine Weile…

Und doch lieben wir uns, wohl bis zum Schluss.

Und nun entschuldige ich dich, wahrscheinlich für immer.

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