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Moralapostel? Nur in der Muttersprache!

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Vorneweg ein kleines Beispiel: 

Franks Hund ist vor seinem Haus überfahren worden. Frank hat davon gehört, dass sie in China Hunde essen, und er ist neugierig, wie das schmeckt. Er zieht dem Tier das Fell ab, zerstückelt es und isst es zum Abendessen.

Eigentlich müsste das Urteil über Frank jetzt härter ausfallen als wenn dieser Satz hier in einer Fremdsprache stünde. Zumindest, wenn es nach Janet Geipel geht. Die Wissenschaftlerin untersuchte an der Fakultät für Psychologie und Kognitionswissenschaften der italienischen Universität Trient, ob und wie die kognitive Verarbeitung von Informationen in einer Fremdsprache die moralische Beurteilung beeinflusst. 

Dazu ließ sie die Teilnehmer -  italienische, deutsche und englische Muttersprachler - die moralischen Verfehlungen mehrerer Handlungen bewerten, unter anderem den Fall von Franks Hund. Oder auch einvernehmlichen Inzest. Die Teilnehmer lasen die Fälle entweder in ihrer jeweiligen Muttersprache oder einer Fremdsprache, die sie sehr gut beherrschten. In der Fremdsprache waren die Studenten in ihren Urteilen weniger hart, wenn in den Beispielen Gesellschaftsregeln oder ethische Normen verletzt wurden. Stattdessen urteilten sie eher nach rationalen Gesichtspunkten. Sobald wir also in einer anderen Sprache sprechen, wiegen wir kaltblütig alle Kosten-Nutzen-Faktoren ab und verwandeln uns in Rationalisten? Nein, Geipel meint, dass unsere nachsichtigen Urteile in der Fremdsprache wohl mit unserem Gedächtnis und sozio-kulturellen Lernprozessen zusammenhängen.

Auf Englisch lässt es sich besser fluchen

Wir codieren mit der Sprache Erlebnisse, dann fällt es uns leichter uns an die Erlebnisse zu erinnern. Die moralischen Fallbeispiele der Studie betrafen Normen, die die Teilnehmer direkt oder indirekt durch soziale Interaktionen in ihrer Muttersprache gelernt hatten. Daher aktiviert die Muttersprache diese Normen besser, als es eine Fremdsprache könnte.

Den Zusammenhang von Gesellschaftsregeln und Sprache beweist auch eine Studie der Universität Warschau aus dem Jahr 2013. Die Autoren argumentierten, dass eine Fremdsprache von selbst- oder gesellschaftlich auferlegten Normen befreie, weshalb in der Fremdsprache häufiger geflucht würde.  Warum es wichtig ist, sich weiter mit Sprache und moralischen Normen zu befassen? Immerhin werden global viele Informationen auf einer Fremdsprache kommuniziert und daraufhin wirtschaftliche oder politische Entscheidungen getroffen. Einmal öfter drüber nachdenken, warum wir das tun, was wir tun, würde als auch in diesem Zusammenhang nicht schaden.

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