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Achtung! Hier kommt die nächste Parodie auf die Generation Smartphone

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Wenn man 2015 den Vorwurf, dass die „jungen Leute“ zu viel an ihren Smartphones hängen und währenddessen ihr Leben verpassen, laut äußern will, braucht man schon einen sehr guten Grund dafür. Zumindest, wenn man danach nicht offiziell für völlig aus der Zeit gefallen erklärt werden will. Ein guter Grund ist, wenn man diesen Vorwurf maximal charmant und witzig verpackt. Der Londonerin Alicia MacDonald ist das mit ihrem Kurzfilm „Otherwise Engaged“ gerade gelungen.

In ihrem Video, das gerade viel auf Facebook und Twitter geteilt wird, sieht man ein Paar beim Joggen. Auf einmal geht der Freund in die Knie, um seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen. Sie hat Kopfhörer im Ohr und merkt erst gar nicht, dass er mit gezückter Ringschatulle zu einer großen Rede ansetzt. Als sie endlich begreift, was passiert, unterbricht sie ihn und beginnt die Szene mit ihrem Smartphone zu filmen. Man kann es durchaus unromantisch nennen, wie er nachfragt, ob er denn in die Kamera sehen soll. Auch ihr Befehl „Mach weiter! Tu’ einfach so, als wäre ich nicht hier!“ und die Selfies, die sie machen, nachdem er ihr den Ring angesteckt hat (Hashtag #love! Hashtag #nofilter!) sind nicht gerade sentimental.

http://vimeo.com/129888782 

Die Liebe musste schon oft herhalten für die Kritik von Kulturpessimisten an der Smartphone-Generation, die angeblich alles verpasst, während sie auf ihre Handys starrt. Besonders in Erinnerung blieb das Video „Look up“, das vergangenes Jahr viel geteilt wurde (die Gegenrede dazu liest du hier). In dem Film sieht man erst, wie ein junger Typ eine Frau kennenlernt, weil er sie nach dem Weg fragt. Sie heiraten, bekommen Kinder, sind glücklich bis an ihr Lebensende. Danach sieht man den Typ noch einmal, allerdings guckt er dieses Mal auf sein Smartphone und verpasst die schöne Frau. Er bleibt allein.

Viele solche Filme wurden schon ins Netz gestellt und viel geteilt. Die Lehre, die wir daraus ziehen sollen, ist immer dieselbe: Du verpasst alles Tolle, weil du auf dein Handy starrst!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das ist auch in Alicia MacDonalds Film ein wenig so, darin geht es speziell um die besonderen Momente im Leben, die man angeblich nicht mehr richtig genießt, weil man alles immer fotografiert oder filmt und das Konservierte danach im Netz verbreitet – die Urlaubserinnerung ebenso wie den Heiratsantrag. Alicia MacDonald bringt das in ihrem Film aber nicht moralisch rüber, sondern parodiert sanft das Gefühl, das einen immer überkommt, wenn man das Smartphone zückt statt den tollen Sonnenuntergang einfach mal nur anzusehen. Viel wichtiger aber noch ist der Schluss des Videos, der deutlich macht, dass uns das Dilemma ja klar ist, und dass wir das mit dem Zauber des Moments eben anders definieren als unsere Eltern und Großeltern. Als der Freund die Freundin am Schluss des Films fragt, ob sie gleich ihre Eltern anrufen, antwortet sie, während sie auf ihrem Smartphone Fotos und Videos teilt: Können wir nicht erst mal den Moment genießen, bevor wir die Anrufe erledigen?“

kathrin-hollmer 

Text: kathrin-hollmer - Screenshot: Vimeo

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