Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Generation Stubenhocker?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Ja, es wurde schon viel über uns, die Generation Y, gesagt: dass wir faul sind und nicht faul, politisch und unpolitisch, erpicht auf gute Gehälter und mit Geld-egal-Mentalität und immer so weiter. Aber es gibt einen Bereich, über den besonders gerne und viel diskutiert wird. Vielleicht, weil er so große Auswirkungen auf Wirtschaft und Industrie hat: unsere Mobilität. Unser Verhältnis zu Autos und zu Fortbewegung generell.

Und für diesen Bereich gibt es jetzt eine neue Studie aus den USA, die einen Namen für unsere Generation bestätigt, den sich die New York Times im Jahr 2012 ausgedacht hat: „The Go-Nowhere Generation“. Kurz zusammengefasst besagen die Ergebnisse: die Generation Y, die Millennials, fahren, im Vergleich zu Gleichaltrigen vor 20 Jahren, weniger Auto. Aber sie nutzen trotzdem nicht mehr alternative Fortbewegungsmittel. Insgesamt bewegen sie sich weniger beziehungsweise auf kürzeren Strecken.

Auto? Brauchen wir nicht!

Durchgeführt hat die Studie Professor Noreen McDonald von der University of North Carolina. Sie hat auch nach den Gründen für den Rückgang der Mobilität gefragt und zwei Faktoren aufgetan, die eine Rolle spielen:

1. Verschiedene demografische und ökonomische Veränderungen. Erstens: im Job. Im Jahr 2009 hatten 73 Prozent der 25- bis 30-jährigen Amerikaner einen Job, 1995 waren es noch 82 Prozent. Mehr Arbeitslosigkeit bedeutet weniger Mobilität – und auch weniger Anlass, sich fortzubewegen. Zweitens: in der Familie. Die Menschen gründen heute später eine Familie als die Generationen vor ihnen. Und wer keine Kinder hat, muss sich im Alltag ebenfalls weniger bewegen. Drittens: beim Wohnort. Mehr als drei Viertel der Millenials leben in Städten, an Orten also, an denen man kein Auto braucht und an denen alle Bedürfnisse des Alltags und der Freizeit auf kleinstem Raum befriedigt werden

2. Eine generell veränderte Einstellung zum Autofahren. Es ist den jungen Menschen heute einfach weniger wichtig als zum Beispiel ihren Eltern.

Dass ein Auto kein Statussymbol mehr ist, ist nichts Neues. Dass wir uns weniger bewegen aber schon!

Wir (oder zumindest unsere amerikanischen Altersgenossen) brauchen also keine Autos mehr – und wir wollen auch keine mehr. Die Studie belegt das besonders deutlich, weil sie im Vergleich mit den Gleichaltrigen 1995 auch die äußeren Umstände mit einbezogen hat. Denn eigentlich müsste man ja davon ausgehen, dass ein 25- bis 30-Jähriger ohne Job im Jahr 1995 sich pro Tag auch nicht mehr fortbewegt hat als jemand in der gleichen Situation heute. Einfach, weil er ja nicht musste. Stimmt aber nicht: Er fuhr 3,7 Meilen, also etwa sechs Kilometer mehr am Tag. Und das lässt sich auf alle Bereiche übertragen: Die Millennials mit Job fahren mehr als elf Kilometer weniger pro Tag als ihre 1995er Altergenossen mit Job, die, die in einer Stadt wohnen fast zehn, die auf dem Land 13 und so weiter. Kurz: Alle fahren weniger.

Dass Autos den heute 20-bis 30-Jährigen immer weniger wichtig sind, ist eigentlich nichts Neues. Dass das Auto als Statussymbol auf dem Rückzug ist und beispielweise Smartphones sehr viel wichtiger geworden sind, ist auch schon in einigen anderen Studien belegt worden. Allerdings ging es da meistens darum, dass es der Generation Y nicht mehr so wichtig ist, ein Auto zu besitzen – fahren wollen sie es angeblich trotzdem. Was bei den heute 20- bis 30-Jährigen aus Industrienationen allerdings auch zu beobachten ist: eine Stagnation oder sogar ein Rückgang der Anzahl an Führerscheinen. Das belegt eine Studie des Instituts für Mobilitätsforschung aus dem Jahr 2011.

Dass wir uns allerdings generell weniger bewegen, diese Erkenntnis ist neu. Vielleicht ist es auch nur ein amerikanisches Phänomen, Zahlen aus Europa gibt es dazu bisher nicht. Die Studie des Pew Research Centers, aus der die New York Times den Begriff „Go-Nowhere Generation“ destilliert hat, ergab, dass sich die Zahl der Twentysomethings, die in unmittelbarer Nähe ihres Geburtsortes leben, seit den Achtziger Jahren beinahe verdoppelt hat. „Today’s generation is literally going nowhere. This is the Occupy movement we should really be worried about“, schlossen die NYT-Autoren daraus. Schuld daran sei unter anderem (und wie immer): das Internet. Das Transportation Research Institute der University of Michigan zum Beispiel fand heraus: Je mehr Zeit junge Menschen im Internet verbringen, desto später machen sie den Führerschein.

Und da treffen die sich so wenig bewegenden Amerikaner wieder mit dem Rest der industrialisierten Welt zwischen 20 und 30 zusammen, in der Smartphones wichtiger sind als Autos. Mit dem Telefon in der Hand kann man ja überall zugleich sein – bei den Freunden im Nachbarort, bei einem Fußballspiel am anderen Ende der Welt und beim Einkaufen. Klar, dass man sich da weniger bewegen muss.

Darum ein Vorschlag zur Güte: Wahrscheinlich sind wir gar nicht die „Go-Nowhere Generation“, sondern die „Be-Everywhere (While-Being-at-Home) Generation“.


Text: nadja-schlueter - Foto: dpa; Collage: Katharina Bitzl

  • teilen
  • schließen