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Das Gütergleis

Text: AstronautenSchweben

Die Bank am Gütergleis 20.
Die rollende Reklame dahinter.
Darunter: zwei, drei Bierflaschen.
Wir und unsere längst vergessenen Hände,
Wir und unsere längst vergessenen Münder.
Wir halten uns bei den Händen und lachen uns in unsere Gesichter. Ein Lachen, jeder zeigt seines. Und der ganze Abend ist ein Gelächter.
Wir haben lange, lange nicht mehr so gelacht miteinander und eine so schöne Zeit zusammen verbracht, wie heute Abend. Und das wissen wir beide, jeder für sich. Noch ist's innerlich, heimlich.
In der Tasche: Eine Kamera.
Wir schießen Fotos: zwei, drei.
Die Erinnerungen werden sich in den Film fest eingewickelt haben, werden nicht mehr wegzudenken sein, machen den Abend geschehen, machen ihn zur Wirklichkeit.
Die Erinnerungen sind Überbleibsel unserer so genannten FREUDE an dieser abendlichen Begegnung am Gütergleis. Am Ende steigen wir in die Dunkelheit und wechseln uns ab. Der Andere wartet immer. Als wir am Ende des Gleises stehen, beobachten wir die Polizei, wie das Pärchen im Gleichschritt geht. Wir lachen, wir reißen uns zusammen, wir kehren zurück zur Bank, zur rollenden Reklame, zu den Bierflaschen, zur Kamera. Wir kehren zurück und kommen zur Ruhe. Jetzt geht es weiter, alles vermehrt sich, intensiviert sich, vergrößert, verschönert sich. Der Händedruck wird fester, das Lachen wird lauter, Blicke und Worte, aber es gibt nur einen Ausgang, der von vornherein gesetzt war.
Wir haben den Mut und das Bewusstsein verloren, das ist der Grund weshalb wir nicht mehr träumen. Wir existieren in einer Ohnmacht und schreiten im Gleichschritt voran. Und dann diese Lücke. Und dann die Tränen. Und dann der Kopfschmerz. Und dann das Leben.
Es hat nur einige wenige Worte gebraucht, um auszuleben und auszubaden, was gewünscht und erwartet wurde. Es hat nur einige wenige Blicke gebraucht, nur einige wenige Gesten, nur einige wenige Bierflaschen, nur eine bestimmte Vergangenheit, um auszuleben und auszubaden, was gewünscht und erwartet wurde.  

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