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Gestatten: der deutsche Hipster-Tourist

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Bloß nicht als Tourist erkannt werden, schon gar nicht als deutscher. Kein Sonnenhut. Keine Socken. Auch nicht in normalen Schuhen, man weiß ja nie. Nichts ist erniedrigender als der Gang ins Tourismusbüro. Wenn man sich dort aller Coolness zum trotz eine Stadtkarte mitnimmt, wird diese, wenn überhaupt, nur heimlich an dunklen Straßenecken hervorgeholt und im Zwielicht entziffert. Falls er dann doch mal auf ein Wahrzeichen der Stadt stößt, zeigt er sich davon so beeindruckt wie vom Parkplatz im heimischen Nachbarort. Denn: man kennt ja das Klischee vom deutschen Touristen, stets ausgerüstet mit Bauchbeutel, Reiseführer und Karte. Oder er liegt rot gefärbt am Strand.

Und davon müssen wir uns abgrenzen. Denken wir zumindest.

Allerdings scheint der deutsche Individualreisende im Ausland nicht wirklich besser anzukommen als der mit den besockten Sandalen. Anders ist nicht zu erklären, warum die isländische Mini-Webserie „Cloud of Ash“ ausgerechnet den neuen deutschen Touristen als Charakter aufgegriffen hat. Und der ist ein überheblicher Nörgel-Hipster.
 
https://www.youtube.com/watch?v=KIMWSttZlc0

Für die Sehenswürdigkeiten hat er nur Verachtung übrig. Die lokale Küche ist nicht speziell genug. Island, das ja eigentlich so cool sein soll, entpuppt sich als Land der Idioten.

 http://www.youtube.com/watch?v=eCuMd_zCWdc

Als so ein Kostverächter, der in seiner kollektiven Suche nach Individualität eigentlich schon wieder zum Mainstream-Touristen wird, möchte man als deutscher Urlauber nicht dargestellt werden. Aber: es stimmt. Der Berliner Kulturwissenschaftler Johannes Novy forscht nämlich zum Post-Tourismus in Städten. Und er hast festgestellt: Der Post-Tourist übernachtet nicht in Hotels, er zeigt wenig Interesse für Attraktionen, sucht dafür aber unkonventionelle Erfahrungen und hält sich lieber in Wohngebieten als in der Innenstadt auf. Bei den Einheimischen ist er genauso unbeliebt wie das Original. Deshalb sollte man zukünftig im Urlaub doch wieder lieber auf die Stadtkarte schauen und den Kopf in den Nacken legen, wenn man ein Gebäude schön findet. Denn eigentlich freuen sich Einheimische darüber am meisten: wenn man ihre Stadt bewundert.

magdalena-naporra

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