Der System-Ticker
Doch die Reaktionen meiner Mitreisenden, zwischen Unglauben und Amüsement, verrieten mir, dass ich wohl doch richtig gehört hatte: Der Schaffner hatte gerade die Weiterfahrt des Zuges so beschrieben:
„...zur Weiterfahrt nach Treuchtlingen, über Langweid, Donauwörth und wie die Käffer alle heißen...“
Und am Bahnsteig ging es munter weiter: Die Bahn-Mitarbeiterin am Mikro (ja an unserem Bahnhof gibt es das noch) sagte als möglichen Anschlusszug „die BRB nach Lagerfeld...äh, nach LagerLECHfeld“ an. Da begann ich, mich allmählich ein bisschen wie Josef K. zu fühlen. Ich fragte mich, ob beim Verlassen des Bahnhofs auf einmal die Türen zugemauert sein würden, oder ich am Ende der Treppe unvermittelt in einen Wassergraben mit Krokodilen fallen oder mir trotz vertrauter Stadtkulisse das Ortsschild von Übach-Palenberg entgegenblinken würde. Doch zum Glück blieb es bei den verbalen Glitches.
Natürlich waren die Auswirkungen in diesem Fall gleich Null, aber es gab mir zu denken:
In unserer automatisierten, durchevaluierten Welt, die das perfekte System ohne Schatten als Ideal anstrebt, in der keine Fehler geduldet und keine Abweichungen erwünscht sind, fallen solche kleinen menschlichen Ausreißer natürlich sofort auf. Und eigentlich geben sie auch Hoffnung, auf einen kleinen Rest Freiheit und Selbstbestimmtheit. Aber manchmal, vor allem, wenn wir diese Systeme nutzen, können sie auch beunruhigend sein.
Was hast Du schon Seltsames, Kafkaeskes, Absurdes erlebt, wenn sich Fehler in scheinbar unfehlbare Systeme einschleichen?
Eugen Gomringer: kein fehler im system (1969)
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