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Der Duft des Hasses

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Würde es einen Duft geben der „Eau de Strache“ heißt, wäre es wohl kein guter. Es wäre einer, der viel zu süß und viel zu billig riecht. Ein Parfum, das einen die Luft anhalten lässt, weil es so penetrant ist. Und eines, von dem man Kopfweh bekommt.

Heinz-Christian Strache ist der Parteichef der FPÖ. Auf seiner Facebook-Seite sammeln sich menschenfeindliche Kommentare. Alex und Nina wollen das dokumentieren.

Ein Parfum namens „Eau de Strache“ gibt es zum Glück nicht, dafür aber einen Blog der so heißt. Er wird von Alex und Nina* aus Wien betrieben. Die beiden wollen anonym bleiben, um sich vor rechtsextremen Angriffen zu schützen. Auf eaudestrache.at veröffentlichen sie jeden Tag Kommentare, die sie unter Facebook-Posts der rechtspopulistischen FPÖ finden. Zum Beispiel auf der Seite von Parteichef Heinz-Christian Strache. Alex und Nina meinen, dass Strache „eine „gewisse Aura versprüht, die Menschen stark anzieht“, deswegen haben sie ihren Blog auch „Eau de Strache“ genannt. Was sie mit „Aura“ meinen, wird schnell klar, wenn man sich durch den Blog scrollt: „Nur ein toter Moslem ist ein guter Moslem“, „OfenAnAsylAus" oder „Rottet das Gesindel aus“ liest man dort. Das ist nicht einmal mehr verklausuliert rechtspopulistisch sondern offen menschenfeindlich.

Alex und Nina wollen zeigen, wie Menschen, die mit der FPÖ sympathisieren, denken. Sie wollen aber auch darauf aufmerksam machen, wie die rechtspopulistische Partei gezielt mit Postings Stimmung gegen Flüchtlinge und Migranten macht. Denn die ausgewählten Kommentare finden sich meist unter hetzerischen Postings der Partei zum Thema Flüchtlingspolitik.

Schon mehr als 1000 solcher Zitate haben sie gesammelt und auf den Blog gestellt. Ohne Erklärung oder Kommentar, nur umrahmt von einem unschuldigen Design, das an die Optik des Parfums "Chanel Nr. 5" erinnert. „Die Zitate sollen für sich selbst sprechen“, sagt Alex. Unter ihnen findet man nur den Vornamen des Zitierten und einen Link. Folgt man diesem, gelangt man zum Original-Posting und findet noch mehr Hasskommentare. „Man soll sich selbst ein Bild machen“, meint er. Von einer Partei, die bei den nächsten Nationalratswahlen die meisten Stimmen bekommen könnte. Einer Partei, die in den vergangenen Tagen für Wirbel sorgte, weil sie große Wahlerfolge in zwei Bundesländern erlebte. In einem davon, dem Burgenland, wurde sie von den Sozialdemokraten sogar in die Landesregierung geholt.

Dass die FPÖ Zuspruch aus rechtsextremen Kreisen bekommt, ist nichts Neues. Stammen aber Aussagen wie „sofort und ohne Verhandlung aufhängen“ oder „Gammelfleisch aus Deutschland verfüttern“ wirklich nur von Menschen aus der Neonazi-Szene? Alex und Nina glauben das nicht. Sie denken, es sind Menschen die Angst haben und sich von einer bestimmten Politik beeinflussen lassen: „Die FPÖ macht Stimmung gegen Flüchtlinge. Sie macht eine Politik die Hass, Neid und Angst schürt“, sagt Alex. Er und Nina sehen sich die Profile der Hassposter genau an. Die meisten von ihnen verwenden auf Facebook ihren Klarnamen. Von 100 Kommentaren seien den Blogbetreibern zufolge vielleicht 30 klar der Neonaziszene zuzuordnen.

(*Name von Redaktion geändert)

>> Warum bestimmte Kommentare in Österreich eigentlich verboten sind und warum FPÖ-Politiker von diesem Verbot bisher nicht betroffen sind >>



„Die FPÖ setzt systematisch eine Strategie der Online-Hetze ein, um Wähler zu mobilisieren"

Dabei gibt es in Österreich sogar ein Verbotsgesetz  - alles, was die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlost, rechtfertigt oder gutheißt gilt als "nationalsozialistische Wiederbetätigung." Kommentare wie „erschiessen und vergasen“ oder „das KZ muss seine Türen wieder öffnen“, müssten somit also strafrechtlich verfolgt werden. Faktisch ist das aber nicht immer der Fall.

Der Polizist und Datenforensiker Uwe Sailer beschäftigt sich seit Jahren mit fremdenfeindlichen Hasspostings. „Viele Menschen, die rechtsextreme Ansichten haben, fühlen sich nicht als Rechtsextreme und kennen das Verbotsgesetz nicht“, sagt er. „Sie denken, sie können alles sagen was sie wollen und berufen sich dabei auf die Meinungsfreiheit.“ Sailer engagiert sich bei der Initiative „Heimat ohne Hass“, die die Facebookaktivitäten am rechten Rand der FPÖ überwacht. Im vergangenen Jahr hat er 100 Facebook-Kommentare zur Anzeige gebracht, 70 davon wurden vor Gericht verurteilt. Bei den meisten Fällen handelt es sich aber nicht um Verstöße gegen das Verbotsgesetz, sondern um Verhetzung religiöser oder ethnischer Gruppen, die in Österreich mit bis zu zwei Jahren Freiheitsentzug geahndet wird.

„Es herrscht Krieg im Internet“, sagt Sailer. Vor allem im vergangenen Jahr habe der Online-Hass stark zugenommen. „Die FPÖ setzt systematisch eine Strategie der Online-Hetze ein, um Wähler zu mobilisieren. Deswegen finde man solche Kommentare auch selten auf den Facebookseiten anderer Parteien, sondern vor allem bei der FPÖ“, so Sailer. Seine Recherchen zeigen, dass es oft kleine Parteifunktionäre oder Gemeindepolitiker sind, die auf Facebook bewusst dafür sorgen, dass es unter den Posts eskaliert.

Oftmals werde dadurch auch der Zorn der Globalisierungsverlierer geweckt, der sich dann gegen Asylanten richte, sagt Sailer. Dabei fällt es im Internet natürlich leichter, manche Dinge auszusprechen: „Diese Hasskommentare sind vergleichbar mit Stammtischparolen, die Leute von sich geben wenn sie unter Gleichgesinnten sind. Sie bekommen Schulterklopfer und fühlen sich endlich akzeptiert.“ Sailer ist sich aber trotzdem sicher: Das, was die Hassposter von sich geben, das meinen sie auch so. Ihr Weltbild lässt sich deswegen nur schwer ändern.

Dennoch müsse Hetze aus seiner Sicht grundsätzlich verboten werden, egal, gegen wen sie sich richtet und auch wenn sie aus dem Parlament kommt. Politiker sind derzeit durch ihre Immunität vor einer Verurteilung geschützt. „Erst dann hätte die FPÖ keine Daseinsberechtigung mehr und müsste Sachpolitik betreiben“, sagt Sailer. „Hetze steht zuerst, dann folgen die Gedanken und dann die Taten. Irgendwann wird sie  zur Wahrheit“, sagt Sailer.

Nach den nächsten Nationalratswahlen könnte die Wahrheit so aussehen, dass Österreich offiziell den Duft „Eau de Strache“ trägt. Kopfschmerzen wären dann das geringste Problem.


Text: simone-groessing - Bild: collage reuters / leonhard foger

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