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Peter Singer und die Behinderten

Text: dermarcel

Wer nicht so tief in der Behindertenbewegung steckt, dem sagt der Name Peter singer vermutlich nichts. Singer ist ein australischer Philosoph mit jüdischen Wurzeln. In seinem Hauptwerk "Praktische Ethik" behandelt er praktische Probleme der Lebensführung aus philosophischer Sicht. Er ist für drei seiner Thesen besonders bekannt geworden: Für sein Engagement für Tierrechte, für sein Engagement gegen Armut und für seine Thesen zur Euthanasie von Schwerstbehinderten.



Singer plädiert im genannten Buch dafür, Ungeborene bzw. Säuglinge mit schwersten Behinderungen abzutreiben bzw. sterben zu lassen.



Das Thema hat neue Brisanz dadurch bekommen, dass sich die Diagnoseverfahren in den letzten Jahren massiv verbessert haben.Hinzu kommt, dass die Versorgung von Frühgeborenen sich deutlich verbessert hat. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist aber, dass heute Kinder überleben können, die früher gestorben wären. Kinder mit massiven Behinderungen, bei denen von Anfang an feststeht, dass sie kein hohes Alter erreichen werden, dass sie nie Bewusstsein entwickeln oder in der Lage sein werden, sich jemals selbst zu versorgen.



Singers Thesen werden vor allem in Deutschland angefeindet, während si in den angelsächsischen Ländern einfach als eine Meinung unter Vielen diskutiert werden.



Für die deutsche Behindertenbewegung - die sich bekanntermaßen über jeden Furz aufregt - ist Singer Persona non Grata, irgendwo zwischen Adolf Hitler und Josef Mengele.



Typisch für die Linke und die von ihr geprägte Behindertenbewegung ist, Thesen aus dem Zusammenhang zu reißen und sie in einen anderen Kontext zu stellen, um daraus eine Diffamierung zu basteln. Eine Methode, die übrigens die Nazis und die Rechte auch wunderbar beherrschen. So könnte man sogar aus Gandhi einen Kriegshetzer und aus Hitler einen Menschenfreund machen.



Eigentlich sind die Behinderten Singers beste Freunde. Es ist eher zweifelhaft, dass seine Bücher das deutsche Publikum erreicht hätten, denn Philosophie ist nur gut, wenn sie möglichst banal vermittelt wird. So aber haben Singers Thesen - wenn auch in einer entstellten Version, ein breiteres Publikum erreicht.



Und egal, was die Behinderten sagen - und die veröffentlichte Meinung: Die Diagnose-Methoden, vorgeburtlichen Untersuchungen und so weiter werden immer weiter verbessert. Auch wenn viele Menschen es nicht offen aussprechen: Wenn sie Singers Thesen wirklich kennen würden, würden sie ihnen zustimmen. Es ist nicht human, ein Kind zu einem Leben in ewiger Abhängigkeit von medizischer Versorgung und dem Good Will des Staates abhängig zu mache. Und auch wenn man das Prinzip "Jedes Leben ist humaner als der Tod" für die Gesellschaft als Ganzes akzeptiert, so ist es doch tatsächlich eine individuelle Entscheidung der Eltern. Jeder wird sagen: Bor, tolle Leistung, die du da vollbringst. Und er wird denken, ich hätte die Entscheidung nicht so getroffen. Mir ist es lieber, kein Kind zu haben, als eines, dass praktisch nicht aus dem Krankenhaus heraus kommt. Frage dich einmal selbst, wie du dich verhalten wüürdest?



Auch wenn es Eltern gibt, die sich anders entscheiden würden, so ist das doch die Entscheidung, welche fast alle Eltern treffen würden. Und dieses Recht kann ihnen keiner der Behinderten-Aktivisten nehmen. Ihre moralisch aufgeladene Empörung ist einer sachlichen Diskussion nicht dienlich. Im Grunde ist ein Großteil der Aktivisten zutiefst undemokratisch, denn sie fordern ein Denkverbot für Singers Thesen und versuchen, seine Ehrung, die nichts mit seinen Behinderten-Thesen zu tun hat, zu verhindern. Ich würde mir mehr Sachlichkeit und weniger künstliche Empörung wünschen.



Wie so viele Menschen in Deutschland schaffen es die Behinderten, persönlich beledigt zu sein, obwohl sie gar nicht angesprochen sind. So hat Singer nie den Tod aller behindert geborenen Kinder gefordert, wie oft der Anschein erweckt wird. Er meint ganz bestimmte - äußerst seltene - Fälle, die uns gar nicht betreffen.

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