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Der Jahreszeitenticker

Text: Der_Tagesticker






Gerade ist der Frühling schon fast wieder vorbei; die Blütenexplosionen lassen allmählich nach und weichen dichtem, frischen, grünen Laub. Ein paar Wochen war es hier zum Wahnsinnigwerden: Berge von Flieder, Myriaden von Magnolien, ganze Matratzenlager von Blaukissen und Vergissmeinnicht, und selbst die mickrigen Zierkirschen vor meinem Fenster haben so getan, als seien sie bei Marie-Antoinette persönlich auf den Ball geladen.
Die Blütenorgie ist jedes Jahr schön, aber eigentlich – mag ich das Frühjahr gar nicht so. Das Licht ist mir noch zu grell. Ich bin noch zu dick angezogen, zu weiss und zu wabblig. Jedes Jahr wieder überfordert vom Frühjahr. Man sitzt in der Sonne und sie sticht einem auf die Winterhaut, und dann geht man im Schatten und erfriert beinah. Diese Jahreszeit ist mir zu extrem.
Sommer mag ich schon. Ich mag es, nicht viel anziehen zu müssen. Die warme Luft und die Schwalbenschreie. Herrlich, abends lange draussen zu sein und die vorsichtshalber mitgenommene Jeansjacke doch zerknüllt in der Tasche zu lassen. Nach dem Baden einfach ein Kleid über den nassen Bikini ziehen und Bier trinken gehen, alles egal, alle Hippies im Sommer.
Aber meine eigentliche Liebe ist der Herbst. Plötzlich wird die Welt orange, das Licht immer weicher, die Gerüche herber. Es gibt Most und Zwetschgen und Schweinebraten. Morgens ist es kühl und riecht nach Erde. Im Herbst dreh ich immer fast durch vor Poesie und der olle Rilke geht mir tagelang hinterher. Befiehl den letzten Früchten, reif zu sein.
Winter dann wieder nicht so. Gut, es gibt diese Schneewanderungen, die schön sind, aber meistens ist doch alles Matsch und wäh und grusig. Zumal ich um sämtliche Wintersportarten einen grossen Bogen mache, ich bin doch nicht wahnsinnig.

Wie ist das bei dir? Was verbindest du mit den Jahreszeiten, und welches ist deine liebste?




Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/Spring#/media/File:Carriera,_Rosalba_-_Spring_-_c._1725.jpg

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