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Jungs, wollt ihr eine beste Freundin?

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Liebe Jungs,

einige meiner Freundinnen haben einen besten Freund. Die beneide ich. Meistens sind das eh schon lässige Mädchen, die in einer Band spielen oder Filme drehen oder Häuser bauen. Durch den besten Freund werden sie aber noch etwas lässiger. Der zeigt ihnen seine Lieblingsplatten, nimmt sie mit in den Kletterurlaub, erzählt lustige Witze und repariert ihren Computer. Für uns ist es die pure Kumpelharmonie und die Schatten der Pubertät, in denen das Verhältnis zwischen Jungs und Mädchen noch so viel schwieriger war, wirken plötzlich ganz weit weg.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Aber wir haben den Eindruck, für euch ist das anders. Viele meiner Freundinnen haben nämlich auch einen Freund – im Sinne von Partner. Und wenn es um den geht, fangen die bis dahin so lockeren Kumpel auf einmal an zu leiden. Und melden sich nicht mehr, nur weil auf einmal ein neuer Mann im Leben aufgetaucht ist. Dabei schließt ein fester Freund doch einen besten Kumpel nicht aus. Zumindest nicht in unserer Welt. Ach so: Außerdem sind es in meiner Wahrnehmung fast immer die Typen, die sich verlieben. Andersherum erlebe ich es selten.

Also: Was geht da bei euch ab? Zieht ihr nur mit uns um die Häuser, solange ihr die einzigen Männer in unserem Leben seid? Ist es für euch nicht auch zumindest ein kleiner Coolness-Faktor, dass ihr eine beste Freundin habt? Schließlich zeigen wir euch manchmal auch neue Bands, Bars oder Bücher. Geht ihr nur mit uns in die Kneipe, damit ihr irgendwann auch ins Bett mit uns könnt? Wir wollen das nicht glauben. Bitte klärt uns auf.

>>>Die Jungsantwort von jakob-biazza<<<



"Freundschaften zwischen Jungs und Mädchen brauchen Lebenserfahrung. Und da sind wir euch eben eine ganze Zeitlang hinterher."

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wir kennen uns noch nicht so gut, deshalb muss ich mal eben schätzen: Anfang, maximal Mitte zwanzig, gell? Und wenn die Jungs dann ungefähr genauso alt sind, dann ist das tatsächlich noch schwierig. Die Hormone. Kannst du machen, was du willst: Das kriegst du nicht kontrolliert. Harte Zeit. Lehrt Demut.

Aber der Reihe nach. Bei uns ist das mit besten Freundinnen, denen also, mit denen wir Pferde stehlen, bevor wir ihre Computer auch nicht reparieren können, nämlich ein Stufenprozess. Genau genommen hat der Prozess wohl nur eine Stufe. Aber die ist dafür sehr hoch und reicht bei ein paar von uns auch bis ins hohe Alter.

Denn dass wir das auch wollen, eine beste Freundin, die uns coole Platten vorspielt und neue Klettermoves zeigt oder uns für unsere alten auslacht, das steht außer Frage. Klar wollen wir das. Das ist für sich genommen ja schon das quasi Beste der Welt. Und dazu ist es in der Außenwirkung auch noch der Wahnsinn: Denn eigentlich sind es ja wir, die durch eine beste Freundin cooler werden. Was für ein souveräner, abgeklärter Hund muss das schließlich sein, der mit dieser tollen Frau in der schummrigen Bar abhängt und trinkt und schwelgt und absolut nichts von ihr will? Eben.

So, und jetzt kommt wieder eine dieser grundlegenden Boshaftigkeiten des Lebens ins Spiel. Um diesen Souveränitäts-Boost zu bekommen, glaubwürdig, braucht es, genau: bereits eine gewisse Portion Souveränität. Es geht von allen Seiten sehr gut und sehr reibungsfrei, dass Typen und Frauen befreundet sind. Auch eng. Auch mit Schnaps-Saufen und Pimmel-Raus-Stimmung-Humor und dann Arm in Arm heimtorkeln und dabei den liebsten Oasis-Song grölen („Champagne Supernova“ in dem Zustand, immer; eh klar).

Das geht aber selten einfach so. Freundschaften zwischen Jungs und Mädchen brauchen Lebenserfahrung. Eine gewisse Abgeklärtheit. Und da sind wir euch eben eine ganze Zeitlang hinterher.

Ihr werdet in aller Regel früher angemacht oder auf eine der vielen angenehmen und unangenehmen Ebenen gut gefunden. Von Fremden, von Freunden, von Bekannten. Bei uns kommt das, wenn es denn überhaupt kommt, meistens später. Worauf ich hinaus will: Ihr kennt schon viele Nuancen von Vertrauen und Aufregung und Erregung, während wir da mit lausiger Erfahrung (aus lausiger Empirie) lange durch Nebel navigieren. Und wenn dann in so einer kumpeligen DVD-Couch-Kuschel-Stimmung mal versehentlich ein kleineres Licht aufblitzt, halten wir das eben leicht mal für einen Leuchtturm. Und mit etwas Pech halten wir auf den zu. Und dann verknallen wir uns halt doch. Oder vielleicht doch auch nicht, aber dann ist das Kind eben schon in den Brunnen gefallen.

Dass wir einen neuen Partner an der Seite unserer besten Freundin mit Argwohn empfangen, also auch, wenn wir nicht in euch verknallt sind, das ist übrigens eher was anderes: Beschützerinstinkt vielleicht. Auf diesem etwas archaisch-doofen "Finger weg von meiner kleinen Schwester"-Film. Oder einfach ganz banale Verlustangst. Ohne Souveränität klammerst du dich an die Dinge, die dir wichtig sind, ja schnell etwas energischer als es nötig oder sinnvoll ist. Das ist aber wiederum unisex.

Also: Ja, wollen wir auch! Fällt uns aber schwerer, solange sich eine gewisse Grundabgeklärtheit noch nicht eingestellt hat. Und für die, sorry, gibt es leider keine feste Altersmarke. Das ist was ganz Diffiziles, das manchmal sehr spät kommt – und manchmal auch gar nicht. Aber wenn es mal da ist, Alter, dann raus mit uns und dann alle so „Someday you will find me/Caught beneath the landslide/In a Champagne Supernova in the sky!“


Text: pia-rauschenberger - Illustration: dirk-schmidt; Cover: cydonna/photocase.de

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