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jetzt.de: Die Speakers’ Corner ist eine Londoner Institution, noch älter als die Tower Bridge. Sie machen dort seit den 70er Jahren Photos. Was hat sich seitdem verändert?

Philip Wolmuth: Es gibt nicht mehr so viele Redner wie früher. Und nicht mehr so viel Publikum. Aber es kommen schon noch viele Leute. Aber fast keine politischen Gruppen mehr. Früher gab es immer viele Polit-Gruppen: Trotzkisten, Kommunisten und so weiter. Jetzt sind alle weg.  Stattdessen wird viel mehr über Religion gesprochen. Und eine große Änderung über die Zeit ist, dass es nicht mehr nur um das Christentum geht: es geht auch oft um den Islam. Zwischen den Anhängern der beiden Religionen sieht man jetzt oft Diskussionen.

Was macht die Speakers’ Corner denn so attraktiv?

Im Speakers’ Corner kann man niemanden ignorieren. Da ist eine Gruppe, die eine Antwort will, und wenn man keine gibt, werden sie dich überschreien. Das ist eine ganz andere Energie, von Angesicht zu Angesicht zu reden, als im Internet. Dort muss man nicht antworten.

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Sind die Redner eigentlich größtenteils Verrückte und Fanatiker? Auf den Bildern sieht das zumindest so aus.

Ich will da kein Urteil fällen, wie verrückt diese Leute sind. Da sind zumindest viele Leute, die ganz stark an etwas glauben. Aber es gibt auch junge Leute, die über religiöse und andere Themen reden.

Nur religiöse?

Nicht nur. Aber die religiösen sind immer die lautesten. Waren Sie mal da?

Leider nicht, ich kenne die Speakers’ Corner vor allem aus dem Englisch-Unterricht. Es ist ja ein relativ anarchistischer Ort, oder?

Ja, niemand ist da zuständig, niemand organisiert da was. Keiner sagt, du kannst hier sprechen, du kannst da sprechen. Die Leute tauchen einfach auf, oft sind es dieselben, man kennt sich. Oft stehen sie am selben Platz. Außerdem ist da diese Atmosphäre: es gibt keine Autorität, die etwas bestimmt. Vielleicht fühlt es sich deshalb so anarchisch an, vor allem, wenn man es noch nicht kennt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ist das für die Redner dort der einzige Ort, wo sie gehört werden?

Naja, ich denke viele Leute werden nicht gehört. Ich meine, außerhalb der Wahlen haben alle Leute, die keine Politiker oder Journalisten sind, ja wenig mitzureden. Ich glaube die Leute kommen da hin, um ihre eigene Stimme zu hören. Da gibt es wenig Verbindung zu den Mainstream-Politik-Themen. Traditionell gibt es natürlich einige Verrückte, aber nicht alle natürlich.

 

Was war das Photo, was Sie zuletzt in der Speakers’ Corner aufgenommen haben?

Das letzte Photo war vor ein paar Wochen. Ich hab einen Redner fotografiert, der schon seit 20 Jahren herkommt. Der ist auch im Buch. Der ist ein Verschwörungs-Theoretiker. Er glaubt, dass der Holocaust ein Gerücht ist und dass der 11. September von der US-amerikanischen Regierung geplant wurde.

 

Haben Sie sich mit den Menschen dort während Ihrer Photoproduktion angefreundet?

Naja, nicht so richtig. Aber wir kennen uns schon. Ich bin da zuerst hingegangen, weil ein Freund von mir gesprochen hat. Der ist auch im Buch und wurde in der Speakers’ Corner in den 70ern auch mal verhaftet.

 

 

Philip Wolmuth hat in dieser Woche ein Buch mit Fotos der Speakers' Corner von den 70er Jahren bis heute veröffentlicht.

 

 

Text: pia-rauschenberger - Fotos: Philip Wolmuth

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