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Lieblingsbeschäftigung - nachträgliches Verherrlichen deiner Person

Text: Koibumi

Ziemlich schwierig, so einen kurzen Auszug einer scheinbaren neverending Story zu schreiben. Fast eineinhalb Jahre ist das jetzt her – das Ende unseres zweiten Versuchs. „Trial 2“ – wie ich ihn unter Freunden gerne nenne. Und ob ich will oder nicht, schwirrst du immer noch öfter als mir lieb ist, in meinem Kopf umher. Das du. Das wir. Das uns. Das „hätten wir uns das erste Mal nicht getrennt, wie würde mein Leben dann jetzt nach unseren Plänen aussehen?“. Da sind eine gemeinsame Wohnung, ein kleines Baby und ganz viel Gemeinsam-Zeit – bloß keine Einsamkeit. Ich lebe scheinbar gerne im Konjunktiv – war mir vorab gar nicht so bewusst, und mit der Zeit merke ich auch, dass das auch nicht mein Weg sein kann. Definitiv nicht mein Weg zum Glücklichsein.



Rein objektiv weiß ich, dass du mir nicht gut getan hast. Das ständige hin und her, das Dir-nicht-sicher-sein. Deine Bindungsangst. Und so vieles mehr. Und ich bin noch nicht mal böse. Noch nicht mal ansatzweise wütend – auf all das. Und hier liegt scheinbar der Fehler. Der, der für mich alles zu einer neverending Story macht und mich nicht loslässt. Auch nach Trial 2 habe ich immer noch für jedes noch so verletzende Verhalten deinerseits Verständnis – du bist ja eigentlich so nett und freundlich. Meine Mutter mag dich sehr und eigentlich kannst für all das ja gar nichts, du hast ja schließlich psychische Probleme und eine harte Kindheit hinter dir. Männer mit psychischen Problemen – das entspricht scheinbar leider meinem aktuellen Beuteschema.



Zwischenzeitlich wusste ich glaube ich selbst nicht, wie viel du in mir zerstört hast. Sogar Treffen um über deine Probleme zu sprechen habe ich angeboten – ist das noch selbstlos oder schlicht dumm? Zwei solcher Treffen fanden statt und wie du da saßt im Eiscafé und ich dich das erste Mal nach sehr vielen Monaten sah – es war fast schon unheimlich. Unheimlich zu realisieren, wie viel Faszination du noch immer auf mich auswirkst und wie sehr ich mich immer noch dir zugezogen fühle und Mitgefühl empfinde. Für all das, was dir widerfahren ist.



Hier ein netter Plausch, da ein nettes Schlendern durch die Innenstadt. Für mich fühlte sich das in diesen Momenten wirklich gut an und ich war glücklich. Danach kam dann der harte Schritt zurück in den Alltag – natürlich, wie all die Monate davor auch, ohne dich. Der Versuch, sich einzugestehen, dass das mit uns nichts mehr wird. Nie wieder - wäre ja auch selbstzerstörerisch. Wie gesagt blieb es leider nur bei einem jämmerlichen Versuch.



Noch immer erwische ich mich dabei, herauszufinden, was du da eigentlich in mir zerstört hast. Einen großen Teil meines Grundvertrauens in Männer. Und in die Liebe. Ich glaube nicht mehr an zweite Chancen und Versuche. Noch immer bin ich zu blockiert, um mich auf etwas Neues, jemanden Neues, einlassen zu können. Bei jedem Mann, den ich kennen lerne, dominieren sie. Diese Vergleiche. Und da nachträgliches Verherrlichen deiner Person offenbar zu meiner Lieblingsbeschäftigung gehört, muss ich auch nicht beschreiben, wie diese Vergleiche stets enden.



Ich hoffe ständig auf den Tag, an dem mir jemand begegnet, der mich noch mehr fasziniert, als du es jemals getan hast. Schlicht um sicher zu sein, dass du es nicht schon warst – meine große Liebe. Denn genauso fühlt es sich leider manchmal an. Unsere Beziehungen waren nicht lang – aber leider intensiv - und es erschreckt mich fast jeden Tag aufs Neue, welche großen Wunden eine so kurze Zeit mit dir bei mir hinterlassen hat.



Der erste Schritt hierzu ist versuchen endlich loszulassen und gefälligst das nachträgliche Verherrlichen deiner Person zu unterlassen. Darum schreibe ich diesen Text. Denn auf dem Papier ist aus dem Kopf – und hoffentlich bald aus dem Herz.

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