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Mädchen, warum lobt ihr immer eure Frisuren?

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Die Jungsfrage

Neulich in der Kneipe: Die Dings kommt rein, und gleich krasser Schock. Hat voll kurze Haare, und auch noch ziegelrot gefärbt! Der T. und ich also: "Boah, du warst beim Friseur!" – "Krass." – "Auch’n Bier?" Eine wertfreie Begrüßung. Änderung registriert, dann normal weiter geplaudert.

Das Mädchen, das neben uns sitzt, aber gleich so: "Voooooll hübsch!" Und fährt der Dings direkt mit den Fingern durch ihre frisch – und wenn man ehrlich ist: mindestens eine Handbreit zu viel - gekürzten Haare. Und dann quatschen sie siebeneinhalb Minuten lang über den genauen Farbton und wie gut dieser eine Frisör den Pony aber mal wieder hingekriegt hat.

Hä?, dachten der T. und ich. Für eine direkte Begeisterungs-Offensive sahen wir nämlich eher keinen Bedarf. Es war nicht so, dass wir der Dings das Lob ihrer neuen Frisur nicht gönnen. Lob ist ja nicht nur nach bestandenen Examensprüfungen oder Kopfballtoren sehr angenehm, sondern auch, wenn es etwas betrifft, für das man gerade einen hohen zweistelligen Eurobetrag ausgegeben hat. Natürlich hätten wir der Dings nie das Offensichtliche gesagt, nämlich dass die Haare vor dem Frisörtermin irgendwie besser aussahen. Absichtlich verletzen ist scheiße. Aber: unehrliches Lob doch auch!

Irgendwas ist da komisch mit euch. Wir haben den Eindruck, dass ihr eure Mitmädchen beim ersten Zusammentreffen nach einem Frisörbesuch immer, immer, immer (!) lobt. Und zwar maximalüberdreht im höchsten Gang, als wäre es oberste Mädchenpflicht.

Warum nur? Könnt ihr nicht einfach mal ehrlich sein?

>>> Die Mädchenantwort von sina-pousset >>>


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ach, Jungs. Unsere Haare. Das scheint ja so ein undurchdringlicher Zauberwald für das männliche Hirn zu sein. Setzen wir mal die Heckenschere an. Fertig? Los.  

So ungefähr fühlt es sich an, wenn wir beim Frisör auf dem Stuhl sitzen. Jemand setzt die Schere an und danach ist erst mal nichts mehr, wie es war. Denn das, was bei euch auf dem Kopf eben so rumstoppelt oder mit Gel in Form zu bringen ist, ist bei uns ein komplexes Gebiet. Wir können mit unseren Haaren nämlich so ziemlich alles machen. Wir können unsere Haare kurz tragen, lang, mittel, im Bob, mit Fransen, mit Stufen, mit Locken, mit Pony schräg, Pony tief, Pony mini, vorne lang hinten kurz, vorne kurz Pony schräg hinten lang – kann mir noch jemand folgen? Eben.  

Wichtig ist: Mit jeder dieser Varianten sehen wir anders aus – womöglich völlig anders, so wie die Dings mit dem rotem Radikalcut. Kommt also ein Mädchen vom Frisör, hat sie sich für irgendwas zwischen Dings (Radikalveränderung) und Bums (so wie immer) entschieden. Jemand hat die Heckenschere angesetzt und sie sieht jetzt eben so aus, wie sie aussieht. Klar will sie wissen, wie genau. Nur "Scheiße" hören will sie nicht. Deswegen sagen wir auch mal: "Super", wenn wir "Scheiße" denken.  

Wir wissen: Frisörbesucher brauchen Liebe und Zuspruch, auf keinen Fall Kritik.

Denn es gibt diesen Moment. Wir sitzen auf dem Stuhl und verlangen: "Pony!", obwohl wir eigentlich meinen: "So wie immer, nur in schöner!" Manchmal kommen wir da eben auf komische Ideen, wegen der vielen Möglichkeiten. Das Problem: Wir wollen, dass der Frisör ein bisschen zaubert, obwohl er doch nur Haareschneiden gelernt hat. "Verwandeln" nennt man das.  Nicht nur phonetisch liegt das nah bei "Verschandeln". Frisöre können beides.  

Ein Frisörbesuch ist für uns also eine Wundertütensituation. Wenn etwas schief geht, unterscheidet sich unsere Fallhöhe von Eurer. Nichts geht so einfach bei uns: Nachschneiden, Nachwachsen, Abrasieren. Erst mal sehen wir so aus, so fremd, so neu, so gut oder schlecht. Im schlimmsten Fall auch einfach ganz beschissen. Nicht so, wie wir das wollten. Und noch viel schlimmer: nicht so, wie wir. Das kann passieren, wenn es so merkwürdige Dinge wie Beach-Strähnchen und Lob (Long Bob) gibt, die wir dann eben mal probieren wollen. Vielleicht aus demselben Grund, aus dem ihr gegen den Wind pinkelt: weil wir können.

So. Warum machen wir also anderen Frauen, die vom Frisör kommen, Komplimente? Ein einfaches Wort: Solidarität. Wir wissen, dass die, die gerade  ganz entspannt und neugeschoren im Türrahmen erscheint, vielleicht vorhin noch verzweifelt über dem Waschbecken hing. Wir wissen: Frisörbesuche erfordern Mut. Deswegen sagen wir gerne, dass es gut aussieht, auch gerne intensiv und mit ein paar Nebensätzen. Selbst wenn das nicht immer stimmt. Wir wissen: Frisörbesucher brauchen Liebe und Zuspruch, auf keinen Fall Kritik. Mit einem "Sieht scheiße aus" lebt es sich die acht Wochen, bis der blöde Pony endlich rauswächst, auch nicht entspannter. Also: Zeit verstreichen, Spitzen wachsen lassen und Kritik für später aufheben.

Ehrlich sein darf übrigens eine sofort: die beste Freundin. Von der wissen wir in der Regel nämlich, wie scheiße sie selbst mit Pony aussieht.

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