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Ich Modegetränk-Opfer

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 Grünkohl mit Erdbeere? Wuäh. Unsere Autorin wird's trotzdem trinken.

In meinen Teetassen schwimmen seit ein paar Wochen grüne Klümpchen. Supergesunde grüne Klümpchen zwar – aber das ändert nichts daran, dass ich, nun ja, Klümpchen trinke.

Sie bestehen aus Matcha-Pulver, diesem hippen japanischen Grüntee, den gerade alle trinken, obwohl ihn die wenigsten richtig mögen. Ich auch nicht. Trotzdem habe ich eine Dose davon gekauft. Für 30 Euro. Wegen der Antioxidantien, Mineralstoffe und Vitamine. Dazu kaufte ich einen Matcha-Besen für 15 Euro, mit dem die Klümpchen wenigstens ein bisschen kleiner geworden sind (aber immer noch groß genug, um sich daran zu verschlucken).

So ist es jedes Mal, wenn ein neuer Getränke-Trend aufkommt. Ich denke, ich sei unabhängig von den ganzen peinlichen Hypes – und dann ertappe ich mich, wie ich 20 Minuten mit der U-Bahn fahre, um einen Salat-Saft im neuen Green-Smoothie-Laden zu kaufen. Ich trinke Matcha-Tee und Chai Tea Latte, obwohl mir Kräutertee und Cappuccino viel lieber sind. Ich kaufe Orange-Ingwer-Minze-Zitronengras-Cranberry-Dings statt Spezi. Und keinen Pfirsich-, sondern Mate-Eistee. Obwohl ich Pfirsich doch so gerne mag. Es ist absurd. 

Meine Diagnose: Futterneid auf alles Unbekannte

Das Problem ist: Wenn ich Kräutertee, Cappuccino oder Spezi bestelle, bin ich immer leicht unzufrieden, egal wie gut sie schmecken. Eine Mischung aus Neugier und Mitredenwollen lässt mich lieber minutenlang mit einem Besen in der Tasse rühren und anschließend auf Klümpchen kauen statt einen Teebeutel in die Tasse zu tunken. Lieber nippe ich unzufrieden an einer Ingwer-Minze-Limo als am Spezi. Ich akzeptiere das, weil die Angst, dass ich Ingwer-Minze-Limo lieben könnte, und sie verpasse, überwiegt.

Besonders anfällig bin ich für diese Healthy-Living-Getränke, die gleichzeitig entgiften, eine reine Haut machen, das Abendessen ersetzen und mich wahrscheinlich sogar klüger und witziger machen. Ich bin ein Optimierungsopfer, das regelmäßig auf das Versprechen reinfällt, dass ein Becher flüssige Rohkost die geschmackliche Offenbarung sei. Aber wenigstens bin ich nicht allein mit meiner Naivität.

Es gibt so viele Optimierungsopfer, dass sogar die 500-Kalorien-pro-Becher-Kaffeekette Starbucks in den USA nun Smoothies mit Grünkohl anbietet. Am Dienstag wurde die neue Produktlinie vorgestellt: In Smoothies der Sorten "Sweet Greens", Erdbeere und Mango-Karotte kann man sich zusätzlich Grünkohl mixen lassen, so wie man das auch in Green-Smoothie-Bars tun kann. Bei einem Becher flüssigem Spinat und Sellerie mit ein paar Tropfen Olivenöl (damit der Körper die ganzen Vitamine auch aufnehmen kann!) mag so ein bisschen Grünkohl nicht auffallen. Aber in einem Erdbeer-Smoothie?

Auch wenn "kale", das englische Wort für Grünkohl, viel sexier klingt als auf deutsch: Kohl ist das Letzte, was ich in meinem Getränk haben möchte. Aber ich bin sicher, dass ich auch das bestellen werde, sobald es in Deutschland verfügbar ist. Schon auch wegen der Unmengen an Vitamin C, Kalzium und Folsäure. Wegen des Detox-Effekts. Aber vor allem, weil es nicht so langweilig ist wie Kräutertee zu bestellen. Und weil es entgegen aller Vernunft gut schmecken könnte.    

Zur Not kann man den Kohl unter einer dicken Schicht Milch vergraben, wie den Matcha-Tee ein paar Monate zuvor. Vielleicht gibt es dann bald "Grünkohl Latte". Klingt eklig, aber das dachten wir ja bei Spinat-Smoothies auch mal. Glaube ich. Erinnern kann ich mich an diese Zeit nicht mehr so gut.

Text: kathrin-hollmer - Foto: jala/photocase.de

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