Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Die Fragen hinter den Fragen des tragischen Flugzeugabsturzes der Maschine 4U2595

Text: Emmi_Kiia
Seit Dienstag ist es überall in den Nachrichten. Der offenbar absichtliche Flugzeugabsturz hat die ganz Welt erschütert. Hundertfünfzig Menschen die nicht hätten sterben müssen. Es ist eine unfassbare Tragödie.

Ständig höre ich: "Wie konnte Andreas L. so viele Menschen in den Tod reißen?" oder: "Warum begeht er nicht einfach Selbstmord ohne weiteren Familien das Leben zu zerstören? Diese Fragen sind nur berechtigt und es gibt nichts, was diese Tat wieder gut machen könnte. Aber versuchen wir uns mal auf die andere Seite der Berichterstattung zu begeben. Auf eine tiefere Ebene der Seite des Andreas L. und seine Lage.

Ich gehe von den aktuellen Vermutungen aus. Er hatte während seiner Ausbildung eine depressive Phase, was nichts anderes ist als eine Depression, die aber nicht dauerhaft ist. Durch die Wiedereingliederungstests, die laut den Medien sehr hart sein sollen, muss er allen beweisen, dass er noch fähig ist als Co-Pilot zu arbeiten. Das war vermutlich sehr anstrengend und die Skepsis auf Seiten der Verantwortlichen werden über Monate hinweg bestehen geblieben sein. Aktenvermerke über die Krankheit. Erneute Tests, immer und immer wieder. Er muss stets bestehen, sonst kann er seinen Traumberuf nicht länger ausüben.

Meine Frage an die Lufthansa AG, was bleibt einem Piloten übrig, der diese Tests nicht besteht? Wird er unterstützt und kann weiterhin in irgendeiner Art und Weise für die Lufthansa arbeiten oder muss er sich einen neuen Arbeitgeber suchen? Als was kann er dann überhaupt arbeiten?

Für Andreas L. ist das Fliegen jedoch immer schon ein wahr gewordener Traum gewesen. Was blieb ihm also übrig, sobald er bemerkte, dass er erneut in eine depressive Phase rutschte? Sollte er sich in Behandlung begeben? Er würde monatelang ausfallen. Alle wüssten davon und die Chancen wieder in seinen Beruf zurückkehren zu können, wie groß waren die denn schon noch? Als nicht stabil genug können sie ihn bezeichnen. Die Tests würden womöglich härter. Wenn er seinen Job verlieren würde, was würde ihn genauso glücklich machen können? In solchen Momenten der Angst über die eigene Zukunft und über das, was jemanden wirklich Spaß macht, stellt sich mir ein logischer weiterer Gedankenverlauf. Denn diese Phase könnte ja auch so wieder vorüber gehen, ohne dass es jemand bemerken würde. Alles würde so bleiben wie es war. Klingt das nicht einfacher?

Stellen Sie sich jetzt bitte die Frage, ganz unabhängig von den Ereignissen dieser Woche. Wie würden Sie handeln, wenn es um ihre Existenz geht? Würden Sie Hilfe suchen und danach Ihren Traumberuf nicht mehr ausüben zu können? Oder würden Sie versuchen ohne Hilfe weiter zu arbeiten, mit der Hoffnung bald geht es wieder bergauf und Sie können weiterhin Co-Pilot sein - vielleicht irgendwann sogar Pilot werden?

In unserer Gesellschaft müssen wir immer mehr wie Maschinen funktionieren. Um den Menschen geht es oft gar nicht mehr. Was kann also eine Fluggesellschaft tun, um den Druck für die Mitarbeiter in einer solchen Lage zu senken? Wir erleben solche Schicksale auch in anderen Branchen. Hier möchte ich nicht nur auf die Lufthansa AG schauen. Aber ist es nicht langsam an der Zeit wieder zur Besinnung zu kommen und den eigentlichen Knoten der Gesellschaft zu lösen? Andreas L. hat etwas getan, das sich nicht wieder gut machen lässt. Nichts auf der Welt kann diese Tat entschuldigen. Und dennoch dürfen wir nicht nur oberflächlich fragen, wie so etwas in Zukunft zu verhindern ist. Wir müssen viel tiefgründiger nach den eigentlichen Ursachen suchen.

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: