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"Sie wollte mehr tun"

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Ivana Hoffmann sollte eigentlich ihr Fachabitur in Duisburg machen. Stattdessen schloss sich die 19-Jährige vor einem halben Jahr dem bewaffneten Kampf der Kurden gegen den IS an. Vergangenen Samstag kam dann die Meldung, dass Ivana an der syrischen Grenze in der Nähe von Rojava ums Leben gekommen ist.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gedenken an Ivana Hoffmann in Duisburg

Ivana hatte bis dahin überhaupt keinen persönlichen Bezug zum IS-umkämpften Gebiet, ihre Entscheidung war allein politischer Natur: Ivana war Mitglied einer linken Jugendgruppe, die angeblich der türkischen „Marxistisch Leninistischen Kommunistischen Partei“ nahesteht. das die linke türkische Nachrichtenagentur Etha aufgenommen hat, sagt sie: „Mein Entschluss, nach Rojava zu kommen, ist, weil man hier für die Menschlichkeit kämpft, für die Rechte, für unseren Internationalismus, den die MLKP vertritt.“ MLKP-Mitglieder kämpfen im IS-Gebiet zumeist auf Seiten der PKK oder der YPG, die in Europa und der Türkei immer noch als terroristische Vereinigungen gelten.
Ivanas Freund Thomas (26), mit dem wir über Ivanas Leben gesprochen haben, ist ebenfalls in der linken Szene unterwegs. Er möchte unerkannt bleiben.  

jetzt.de: Woher kanntest Du Ivana?
Thomas: Ich habe hier in Duisburg zusammen mit Ivana mehrere Jahre Politik gemacht. Wir haben im Bildungsstreik zusammengearbeitet, waren auf antifaschistischen Demonstrationen, aber auch auf Demonstrationen in Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf - das lag ihr sehr am Herzen. Und wir waren auch gut befreundet und haben viel Freizeit miteinander verbracht.

Was für ein Mensch war Ivana?
Sie war ein sehr fröhlicher Mensch und hatte eigentlich immer ein Lächeln im Gesicht. Wenn man sie gesehen hat, ist quasi immer die Sonne aufgegangen. Ihr Kampf-Nachname in Rojava war auch “Güneş”, Sonne. Ivana war sehr beliebt und hatte viele Freunde. Hier in Duisburg Meiderich, wo sie gelebt hat, kennen sie alle. Sie hat alle zum Lachen gebracht.

Wie hast du die Phase erlebt, bevor sie nach Syrien gegangen ist?
Gerade in der Zeit, in der es hier in den Medien mehr Berichte über Massaker seitens des IS gab, hat sie sich viel mit dem Thema beschäftigt. Wir haben das auch intensiv diskutiert, an Demonstrationen teilgenommen und Veranstaltungen organisiert. Sie hat aber immer gesagt, dass das zu wenig ist. Dass es nicht genügt, in Deutschland zu sitzen und auf Demonstrationen zu gehen.

Solidaritätsbekundungen mit den kurdischen Kämpfern gegen ISIS äußern ja viele Linke. Tatsächlich selber in diesen Krieg zu ziehen ist ein viel krasserer Schritt. Warum ist Ivana den gegangen?
Sie hatte ein sehr stark ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Wenn ihr was nicht gepasst hat, wenn sie gesehen hat, dass jemand fertig gemacht oder unterdrückt wird, ist sie immer eingeschritten. Besonders, wenn sie das Gefühl hatte, dass Frauen unterdrückt werden. Genau das ist in Syrien ja ein zentrales Thema. Die IS-Banden ermorden, vergewaltigen und verkaufen Frauen. Das waren sicherlich Beweggründe, die Ivana dazu gebracht haben, dort hinzugehen. Ihr war wichtig, nicht nur zu reden, sondern das, was man für richtig hält, auch zu tun. Sie wollte mehr machen. Sie hat gesagt, man kann nicht untätig hier sitzen, wenn anderswo Menschen ermordet und unterdrückt werden.

Wie hast Du von ihrem Entschluss, nach Syrien zu gehen, mitbekommen?
Wir wussten vorher alle nicht, dass sie wirklich dort hingehen würde. Irgendwann war sie einfach weg. Da haben wir dann vermutet, dass sie diesen Schritt gegangen ist. Zum ersten Mal wirklich davon erfahren haben wir, als vor sechs Wochen ein Video veröffentlicht wurde, in dem sie selber spricht. Sie ist da vermummt mit einem Gewehr in der Hand zu sehen und sagt, dass sie an der Front ist. Da spricht sie auch über ihre Beweggründe: Dass sie da ist, um die Menschlichkeit zu verteidigen - und für die Freiheit zu kämpfen. Das war das erste Mal, dass wir wirklich wussten, wo sie ist und was sie dort tut.

Was war das für ein Gefühl, dieses Video zu sehen?
Wir waren erst mal froh, dass wir was von ihr gehört haben. Dass wir ihre Stimme gehört haben und sie sehen konnten. Dass wir Gewissheit hatten, wo sie ist und was sie tut. Der Rest war Verwirrung: Auf der einen Seite war ich stolz auf sie, weil sie ihren Weg gegangen ist. Auf der anderen Seite hatten wir natürlich Angst, dass ihr etwas passiert. Dort herrscht Krieg. Sie hat in dem Video aber auch gesagt, dass sie das weiß und dass sie das Risiko kennt und für die Sache in Kauf nimmt.

Wann hast Du von ihrem Tod erfahren?
Am Tag nach ihrem Tod ist das auf einigen türkischen und kurdischen Seiten im Internet veröffentlicht worden. Da gab es einen Bericht und auch Fotos, auf denen sie unvermummt war. In dem Video vorher war sie ja vermummt, darum wussten wir direkt: Es ist was geschehen. Weil es ja nicht unproblematisch ist, diesen Schritt zu gehen und dann in der Öffentlichkeit zu stehen. Die Bundesregierung sieht ja beispielsweise die PKK als Terrororganisation und erklärt die Leute, die in Syrien auf kurdischer Seite kämpfen, zu Terroristen.

Habt ihr damit gerechnet, dass sie nicht zurückkommt, als ihr vor sechs Wochen das Video gesehen habt?
Wir haben natürlich gehofft, dass ihr nichts passiert und dass wir mehr Videos und anderes von ihr sehen. Das war dann natürlich ein großer Schock. Auch wenn man weiß, dass es die Gefahr gibt.

Anlässlich der Beerdigung von Ivana Hoffmann gibt es kommenden Samstag eine Gedenkfeier für sie vor dem Rathaus in Duisburg-Hamborn.Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Falls mittlerweile gegen Unbekannt.


Text: felix-huesmann - Bilder: oH

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