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Home is where you hang yourself

Text: jungfrauMaria
... und die Tür fällt ins Schloss. Du bist weg und hast dich nur aus Höflichkeit verabschiedet. Eine flüchtige Umarmung, kein Kuss. Nichts davon war echt. Ich weiß gar nicht, was noch echt ist. Den Schein wahren, das ist so wichtig geworden in letzter Zeit. Ich habe versucht, die Mauern um dich herum einzureißen, dich herauszuforden, auf welche Art auch immer. Ich habe geliebt, ich habe getrauert, ich habe getobt, ich habe versucht, ehrlich zu sein. Vielleicht mag es kurz geholfen habe, aber letzten Endes ist das Resultat, dass du gehst, mal physisch, mal emotional. Und alles, was bleibt, ist der Schein und der Schatten einer wundervollen Beziehung, von der ich gar nicht mehr weiß, ob es sie wirklich mal gegeben hat. So wie ich ein Schatten bin, von einer Person, die es vielleicht mal gegeben haben mag. Mein Spiegelbild gehört nicht mehr mir. Liebeskummer lässt dich vergessen, wer du bist, denke ich. Egal, was über dich hereinbricht, was dir Sorgen bereitet, was dich traurig macht, was dich davon abhält, zu sein, Liebeskummer ist der einzige Kummer, der dich deiner Selbst beraubt. Nicht die Zweisamkeit, nicht das Miteinander und das immer weniger Auftreten von Alleinsein und Sich-auf-sich-selbst-rückbesinnen. Das ist es nicht, es ist das, was danach kommt. Was, wenn man sich darin mal nicht wiederfindet? Was, wenn ich es dieses eine Mal nicht schaffe? Würde es noch eine Rolle spielen? Der Schein ist alles, was ich noch habe. Vortäuschen, dass ich "normale" Gefühle habe, dass ich normal mit dir reden kann, ohne an etwas anderes zu denken, als an die Oberflächlichkeiten, die du von dir gibst, das werde ich bald bis zur Perfektion beherrschen. Weitermachen, immer weitermachen. Den Schein wahren und innerlich zerbrechen. Den Schein wahren und vielleicht irgendwann glauben, dass man fast heil ist. Nur so kommst du wieder, das hast du, ohne es zu merken oder zu wollen, mehr als deutlich gemacht. Ich darf nicht toben, nicht wütend werden, nicht weinen, nicht Angst haben und keine Fragen stellen. Nur so wirst du dich irgendwann wieder nicht nur aus Höflichkeit verabschieden. Und bist du weg, übergebe ich mich vor Angst. Ich muss kotzen von der ganzen Lügerei. Ich muss brechen wegen des Betruges, den ich an mir selbst begehe.

Es ist egal. Ich lebe noch. Das ist alles, was zählt.

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