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Die Nebenfrau

Text: Rougepuella
Als ich das erste Mal diesen Ausdruck aus seinem Mund hörte, kam mir kurz der lauwarme Kaffee hoch.

"Nebenfrau? Ernsthaft, jetzt? Was soll das denn sein?"
Er saß mir gegenüber an dem kleinen Küchentisch und drehte nervös die leicht angeschlagene, hellblaue Kaffeetasse in seinen Händen. Herr N. mochte es ganz und gar nicht, wenn ich so schnell und fast zischend sprach, er schob es auf seinen angeborene Schwerhörigkeit zurück. Ich war der Meinung, er war, wie in so vielen Dingen, zu feige sich der Wahrheit zu stellen.

Stille

Es war ein Novembertag, ein "alter Tag", wie ich ihn nannte, die Sonne kam kaum durch und wenn sie es dann geschafft hatte, tauchte sie alles in ein diffuses Licht, so dass man nicht genau wusste, ob man schon das Licht anschalten sollte. Wir hatten darauf verzichtet.

"Was ist eine Nebenfrau, Herr N.?", zischelte ich.

" Naja.....Eine Frau mit der ich alles mache, wenn SIE nicht da ist."

"Nina?"

Stille

Ich habe mich immer über solche weiblichen Exemplare lustig gemacht. Wer will schon das fünfte Rad am Wagen sein, der Lückenbüßer für Gefühle, Erlebnisse und Sorgen? Der Platzhalter für das "Richtige" und "Echte"? Nicht unwichtig, aber auch nicht so wichtig, dass man in dieser unsichtbaren Hierachie aufsteigen würde.
Ich definitiv nicht. Ich war zu cool. Ich war zu garstig, zu anstrengend, zu fordernd, zu intelligent, zu selbstbewusst für so eine Rolle. Ein Alphaweibchen, wie mein bester Freund mal sagte, nicht ohne einen gewissen Unterton zu verbergen.

Ich hatte mich geirrt.

Ein paar Wochen später stand ich an der Ampel in der Nähe von seiner Wohnung und als ich den Blick vom Himmel wandte, der nach Schnee aussah, bemerkte, wie mich von der anderen Straßenseite eine Frau musterte. Es war nicht dieser ziellose Blickkontakt, der unstetig hin und her schwenkte und auf verschiendenen Gesichtern ruhte, während man auf die grüne Ampelphase wartet. Nein, dieser Blick war direkt und klar, ich hatte selten so dunkelblaue Augen gesehen. Das herzförmige Gesicht war umrahmte von dunkelbraunen Haaren, die sich unter der roten Mützen herunter kringelten. Sie war schlank, vielelicht so groß wie ich, aber man konnte sehen, dass sie nicht mehr die Jüngste war. Vielleicht Anfang Vierzig. Sie hatte die Hände in die großen Manteltaschen verborgen und bog leicht den Oberkörper nach vorne, um sich vor den kalten Windboen zu schützen.

Die Ampel schaltet auf grün und aber sie blieb stehen. Sie wartete auf mich. Ich schluckte einmal schnell und kam auf sie zu. 15 Meter. 10 Meter. 5 Meter.
Ich stellte mich neben sie.

Hauptfrau traf Nebenfrau.

"Hallo."
"Hallo."

"Sie sind Nina, oder? Herr N.s Freundin?"
" Sie sind direkt. Er mag direkte Frauen. Ja, die bin ich. Sie sind die Studentin, oder?
" Ja. Aber ich bin noch viel mehr als das."

Sie lachte leise auf.

" Sie sind selbstbewusst. Er mag das."
" Ich weiß."
" Seit er sie kennt, sieht er mich anders an. Prüfender, als müsste ich ihm etwas beweisen."
" Sie müssen mir das nicht erzählen. Ich will es nicht hören, ich kann nichts für seine Sichtweise.
 Er würde sie nicht verlassen."
" Das dachte ich auch immer. Aber sie sind anders als ich mir sie vorgestellt habe. Härter, taffer, irgendwie forscher. Wenn er von ihnen redet, dann schwingt immer Anerkennung mit."
" Das kann ich nicht sagen. Er redet kaum von ihnen."

Wie muss dieses Bild für Außenstehende wirken? Zwei Frauen an einer Ampel, die nebeneinander stehen und sich eigentlich gar nicht kennen. Unterteilt in Haupt und Nebenfrau, Kategorien, die völlig schwachsinnig sind.

Es beginnt zu schneien. Plötzlich dreht sie leicht ihren Körper und ich blickte in diese zwei dunkelblauen Augen. Sie sind unfassbar schön. Nina lächelt leicht, es wirkt gezwungen und angestrengt.

" Er mag sie sehr. Verlassen Sie ihn nicht, er brauchte starke Frauen in seinem Leben, kleine Studentin." Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob der letzte Satz abwertend gemeint ist.

Dann überquert sie die Straße. Ich blicke ihr noch lange nach.









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