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Wie kann ich mich gegen Nacktfotos im Netz wehren?

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Als ich noch zur Schule ging, gab es bei uns im Jahrgang ein Paar, das täglich und offensiv auf dem Pausenhof knutschte. Im Unterricht hielten sie Händchen und wenn jemand fragte, wie sie sich die Zeit nach dem Abi vorstellten, sagten sie: „Auf jeden Fall zusammen". Das Gefühl hielt zwei Jahre. Dann machte sie mit ihm Schluss, wegen eines anderen. Der gewöhnliche Lauf der Dinge in einer Oberstufe.
Nicht ganz gewöhnlich war allerdings die Reaktion des Nun-Ex-Freundes: Aus Wut stellte er ein Video, das die beiden beim Sex gedreht hatten, auf eine Pornowebsite und verbreitete den dazugehörigen Link innerhalb der Schülerschaft. Es dauerte keine 24 Stunden, bis das Video wieder offline war. Bis dahin hatte jeder die beiden nackt gesehen.

„Revenge Porn" lautet die englische Bezeichnung für so ein Verhalten – wenn Menschen nach einer Trennung oder Verletzung intime Bilder oder Videos des Ex-Partners weiterverbreitet. In manchen Ländern gibt es explizite Gesetze gegen derartige Vergehen, zum Beispiel in Israel. Aber auch in Deutschland kann das Verbreiten privater Fotos ohne Einwilligung des Abgebildeten eine Straftat sein. Zeigt das Material Minderjährige oder pornografische Inhalte, ist eine Strafverfolgung sogar sehr wahrscheinlich.

Dr. Ansgar Koreng ist Anwalt bei der Berliner Kanzlei JBB mit Schwerpunkt auf Medien- und IT-Recht. Er sagt: „Intime Bilder seines Ex-Partners ohne dessen Einwilligung zu veröffentlichen, kann sowohl das Urheber- als auch das Persönlichkeitsrecht verletzen." Das Urheberrecht ist betroffen, wenn die abgebildete Person das Foto selbst gemacht hat, zum Beispiel als Selfie. „Dann ist sie auch Urheber und darf darüber entscheiden, wo es veröffentlicht wird", sagt Koreng.

Wenn das Bild jemand anders gemacht hat, greift für den Abgebildeten hingegen das Persönlichkeitsrecht – und das besagt, dass man ohne deren Einwilligung keine Bilder von anderen Personen veröffentlichen darf. Das gilt meistens auch, wenn die Menschen darauf angezogen sind. „Ausnahmen gibt es nur, wenn das Bild entweder dem höheren Interesse der Kunst gilt oder ein zeitgeschichtliches Ereignis widerspiegelt, was bei privaten Nacktbildern aber selten der Fall ist", sagt Koreng. Urheber- und Persönlichkeitsrecht gelten dabei sowohl für Fotos als auch für Videos.

Obwohl man also prinzipiell das Recht hat, privates Material aus dem Netz entfernen zu lassen, ist die Umsetzung oft schwierig. Der beste Fall ist dabei, wenn man genau weiß, wer das Bild hochgeladen hat: „Wenn es zum Beispiel vom Ex-Freund auf seinen privaten Blog gestellt wurde, kann ein Anwalt ihn abmahnen, also auffordern, das Bild wieder runterzunehmen. Wenn der Ex-Freund sich dann weigert, muss man eine einstweilige Verfügung besorgen oder gegebenenfalls klagen", sagt Koreng.

Schwieriger wird es allerdings, wenn das Bild auf der Seite eines fremden Betreibers auftaucht, also zum Beispiel auf einem Tumblr. „Dann muss man sich an den Betreiber der Plattform wenden und die Rechtsverletzung schildern. Wichtig ist dabei, einen Link zu dem Bild beizufügen, damit dieses auch gut auffindbar ist. Der Betreiber muss daraufhin innerhalb einer angemessenen Frist das Bild herunternehmen. Er darf einem aber nicht sagen, wer das Bild hochgeladen hat", sagt Koreng. Meistens beträgt die Frist eine Woche.

Der Zeitfaktor ist bei privaten Bildern im Netz generell entscheidend: Nur wer innerhalb von einem Monat nach Kenntnisnahme der Rechtsverletzung – also dem Moment, in dem man erfahren hat, dass die Bilder online sind – zum Anwalt geht, kann auch eine einstweilige Verfügung beantragen. Meldet man die Rechtsverletzung erst später, gibt es nur noch die Möglichkeit einer Klage, was über ein Jahr dauern kann. Bis dahin hat das Bild meistens noch viele andere Verbreitungswege gefunden. Prinzipiell kann man aber jeden, der das private Material veröffentlicht, abmahnen oder verklagen. Man kann ihn allerdings nicht unbedingt zwingen, die Bilder auch vom privaten PC zu löschen.

Denn die Frage, ob man Nacktbilder auch zurückverlangen kann, ist derzeit rechtlich umstritten: „Das OLG Koblenz hat kürzlich in einem Fall entschieden, dass ein Mann Nacktfotos einer Frau, die er im Rahmen einer Affäre von ihr gemacht hatte, löschen musste. Das war allerdings eine Einzelentscheidung", sagt Koreng. Ein anderes Gericht könnte also anders über einen solchen Fall entscheiden, er selbst würde deshalb von solchen Klagen derzeit abraten.

Wenn intime Fotos im Netz auftauchen, ist es also meistens eine gute Idee, schnell zum Anwalt zu gehen. Prinzipiell kann man aber auch erst einmal zur Polizei gehen und dort Anzeige erstatten. Bis das Bild dann offline ist, dauert es allerdings meistens länger, da der weitere Prozess erst einmal über die Staatsanwaltschaft laufen muss.

Charlotte Haunhorst, 26, ist bei der Recherche für diesen Text auf die Dänin Emma Holten gestoßen, die Opfer von Revenge Porn wurde. Als sie merkte, dass sie nicht gegen jeden, der ihre Bilder gesehen hat, wehren kann, reagierte sie ziemlich cool: Sie machte neue Nacktfotos von sich. Ästhetische, die ihr auch selbst gefielen. Fünf Tipps, wie du dich gegen Nacktbilder im Netz wehren kannst:

1. Prinzipiell kann man jeden rechtlich belangen, der private Bilder ohne Zustimmung ins Netz stellt. Hat man das Bild selbst gemacht, greift das Urheberrecht, ist man nur darauf abgebildet, das Persönlichkeitsrecht.

2. Wie bei allen juristischen Dingen: Möglichst alles schriftlich machen. Nur so kann man später beispielsweise nachweisen, dass man die Fristen für eine Abmahnung eingehalten hat.

3. Ist nachweisbar, dass jemand unerlaubterweise Bilder von dir im Netz verbreitet hat, muss diese Person auch die Kosten für deinen Anwalt tragen. Allerdings kann es dabei Probleme geben, wenn ihr zunächst versucht habt, das Problem privat zu lösen – dann kann argumentiert werden, dass der Anwalt gar nicht notwendig war. So fies es also auch ist: Bei einer bereits stark zerrütteten Beziehung kann es besser sein, nur noch über den Anwalt zu reden.

4. Das Veröffentlichen privater Bilder ohne Einverständnis ist oft eine Straftat. Wer beispielsweise wegen Nacktfotos gemobbt wird, kann unter Umständen auf Schmerzensgeld klagen. Ist man selbst Urheber der Bilder, kann man auch Geld für die Verbreitung verlangen.

5. Auch wenn es schwer ist: Minderjährige sollten sich beim Kampf gegen Nacktfotos mit ihren Eltern absprechen. Wer jünger ist als 18, kann nämlich keinen Anwalt beauftragen.

Text: charlotte-haunhorst - Foto: photocase.com / simonthon / Daniela Rudolf

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