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Für tot erklärt

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"Journalist Felix Huesmann. In unseren Herzen lebst du auf keinen Fall weiter. Bald ist es Zeit zu gehen." So steht es in der fingierten Todesanzeige. Vier weitere Dortmunder Journalisten und Blogger haben genau wie Huesmann am Montagabend Morddrohungen erhalten - über die nun gesperrte Facebookseite "Jagd eröffnet jetzt". Seit einem halben Jahr berichtet Huesmann für verschiedene Medien über die Dortmunder Neonaziszene. Hat die Drohung etwas verändert? Wir haben mit ihm gesprochen. jetzt.de: Felix, wie ist das, zu wissen, dass sich jemand hingesetzt und über deinen Tod nachgedacht hat?
Felix Huesmann: Als ich am Montagabend an meinem Computer saß, habe ich irgendwann eine Twitter-Benachrichtigung bekommen und einen Post gesehen, in dem mein Name und noch einige andere erwähnt wurden. Dahinter stand noch ein Facebook-Link. Auf den hab ich dann drauf geklickt und bin auf die mittlerweile gesperrte Seite „Jagd eröffnet jetzt“ gekommen. Da hab ich mir gleich gedacht: Oh, neue Todesanzeigen“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wieso? Hast du schon mal eine Morddrohung erhalten?
Nein, aber es gab Ende Dezember eine Drohung gegen einen Kollegen in Dortmund. Und jetzt war halt mein Name dabei. Es ist schon erstmal ein ziemlich mulmiges Gefühl. Ich hab mir erst gedacht, das ist ganz schön schäbig! Als ich abends dann nochmal das Haus verlassen habe, hab ich mich schon noch zwei Mal umgedreht, als ich aus der Tür gegangen bin. Aber es ist halt auch anonymes Rumgepose im Internet, was wegen der Anonymität auf Facebook und Twitter erst möglich ist. Nach dem Gedanken habe ich mich nicht mehr so krass bedroht und eingeschüchtert gefühlt.

Also ist es ein Unterschied digital bedroht zu werden oder in der Realität?
Ja schon. Mehrere Dortmunder Neonazis haben mich auf Demos schon persönlich angefeindet. Das erste Mal bei einer Kundgebung von der Partei „Die Rechte“ in Dortmund, wo einer der Neonazis auf mich zukam und sagte: „Hey Felix, Schubertstraße ist braun“ – das ist halt die Straße, in der ich wohne, um mir zu sagen: „Wir kennen dein Gesicht, wir kennen deinen Namen und wir wissen wo du wohnst, mach mal dir mal Gedanken“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Will sich nicht einschüchtern lassen: Felix Huesmann. Du hast einen Artikel geschrieben unter dem steht: ‚Folgt (oder bedroht) Felix auf Twitter’: @felixhuesmann. Rechnest du mit weiteren Attacken?
Der Zusatz kam vom Redakteur, aber ich finde ihn total witzig! Für mich ist es wichtig, mit der ganzen Sache mit Humor umzugehen und mich dadurch nicht einschüchtern zu lassen. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der es Nazis schaffen Journalisten von kritischer Berichterstattung abzubringen.

Hast du dich dann öffentlich geäußert zu der Drohung?
Das erste was ich auf Twitter öffentlich geantwortet habe war ein Screenshot aus dem Film „Der Pate“ mit einem blutigen Pferdekopf im Bett des Mafiosi. Die Message dahinter war: Leute, lernt doch dazu! So sieht eine richtige Morddrohung aus. Ich lasse mich nicht einschüchtern. Nicht auf Kundgebungen, wenn ich fotografiere und ihr mich zurück fotografiert und auch nicht durch gefälschte Todesanzeigen.

Du und dein Kollege Sebastian Weiermann haben am Dienstag Anzeige erstattet und nun ermittelt der Dortmunder Staatsschutz. Erhoffst du dir etwas von den Ermittlungen?
Persönlich hoffe ich, dass es einen höheren Verfolgungsdruck gibt, gerade weil es medial so groß aufgeschlagen ist. Sogar der Innenminister von Nordrhein-Westfalen sagte in einem Interview, dass er sich mit uns solidarisiert – darauf müssen aber natürlich Taten folgen. Die Rechte sitzt immer noch mit einem Abgeordneten im Dortmunder Stadtrat, obwohl sie Volksverhetzung übelster Art betreibt. Ich glaube nicht an einen Ermittlungserfolg – einfach durch die Anonymität des Internets.

Unter den Todesanzeigen findet sich eine Aufforderung an alle Deutschen bei dem Onlineshop antisem.it zu kaufen. Vermutest du auch deshalb, dass die Drohung aus der Partei „Die Rechte“ stammt?
Ich kann nur mutmaßen. Die Neonazis in Dortmund sind nicht dumm, unter ihnen gibt es viele Studenten. Zum Beispiel Michael Brück, den Betreiber des Onlineshops, der in Bochum Jura studiert und dessen Onlineshop ja unter den Todesanzeigen stand. Natürlich muss er das nicht selbst gewesen sein. Die Frage ist aber trotzdem: War das irgendein einzelner Depp oder war das eine abgesprochene Aktion?

Aber warum lassen sich diejenigen zu so einer Aktion verleiten?
Ich denke es ist eher ein Zeichen von Schwäche, als ein Zeichen von Stärke. Es ist nicht so zu interpretieren, dass sie stark sind und sich das trauen, sondern eher so, dass sie politisch gerade nichts Besonderes hinbekommen und sie nur noch durch Aggressivität und Provokationen auffallen können.



Text: lisa-bruessler - Foto: privat

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