Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mädchen, wie organisiert ihr euren Zyklus?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Liebe Mädchen,

Heather Watson hat jüngst wohl so etwas wie ein Tabu gebrochen. Die britische Tennisspielerin rechtfertigte ihr Erstrundenaus bei den Australian Open mit „girl things“ – dem Einsetzen ihrer Periode also. Man hat diese Begründung im Spitzensport offenbar noch nie gehört, weshalb beim Zyklus und allem, was mit ihm so zu tun hat, gerade wieder bis in die hinteren Winkeln gestöbert und gefragt wird.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wir sehen uns in der Rubrik „Jungsfrage“ da durchaus etwas in der Pflicht und hängen uns gerne noch mit dran. Zumal es tatsächlich etwas gibt, das wir – ganz vereinzelt zunächst, seither aber doch mit steigender Tendenz – beobachten: Zyklus-Apps. „Period Tracker“ heißen die zum Beispiel, oder „Der Periodenkalender“. Und oberflächliche Recherchen haben ergeben, dass sie erstens als Symbol fast immer was mit einer Blume haben und zweitens „der einfachste Weg, um Ihre Perioden zu verfolgen“ sind (Selbstbeschreibung), oder eine Möglichkeit, „mit der Frauen ihren Monats-Zyklus überwachen können“ (App-Expertinnen-Einschätzung bei chip.de).

Damit aber nicht genug. „Begleiterscheinungen“, noch mal die Expertin, „wie zum Beispiel Bauchkrämpfe, Kopfschmerzen oder die aktuelle Seelenlage, erfassen Sie bei Bedarf ebenfalls“.

„Wie praktisch!“, war mein erster Gedanke. Und dann bin ich natürlich doch ins Grübeln gekommen. Der Sprache wegen vor allem: „verfolgen“, „überwachen“, „erfassen“, „tracken“. Mir war nicht klar, wie nah sich die Periode am Kosmos Geheimdienste bewegt. Und daraus stellten sich mir folgende Fragen:

Diese ganzen CIA-Methoden wende ich doch zunächst an, weil ich daraus auch Handlungen ableiten kann, richtig? Wenn mich das in eine aktive Position bringt. Einen Terroristen tracke ich ja nur, weil ich nicht will, dass er völlig überraschend herumbombt. Und deshalb wundert mich, ob ihr da mit euren Tagen auch etwas machen könnt, von dem wir gar nichts wissen?

Wir hätten jetzt nämlich gesagt, dass die Begriffe „Regel“ und „Zyklus“ nicht zufällig gewählt sind, das Ganze also in einem eben regelmäßigen Zyklus auftritt. Was ein überraschendes Herumbomben ja ziemlich unwahrscheinlich macht, und sich die ganze Angelegenheit deshalb mit einem einfachen Kalender oder sogar einem normal ausgeprägten Erinnerungsvermögen koordinieren lässt.

Diese Apps wirken aber, als befändet ihr euch da durchaus in einer aktiven Position. Als könntet ihr doch mehr tun, als die Pille länger als nur einen Monat zu nehmen, oder dieses Jahresstäbchen zu tragen. Ist das so? Habt ihr da Einfluss? Könnt ihr eure Tage hinauszögern oder beschleunigen? Und tut das auch? Und wenn ja: wann? Und wie?! Checkt’s Heather Watson also einfach nur nicht und hätte gar nicht unter Bauchkrämpfen verlieren müssen?

Oder verstehen wir das mit diesen Apps falsch und sie sind tatsächlich einfach nur die Rasterfandung des Intimbereichs? Oder gar nur eine Art Haushaltsbuch, in dem man alle Ausgaben einträgt, um am Ende des Monats sehen zu können, dass das Konto wirklich nicht lügt, wenn es behauptet, leer zu sein?

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort von martina-holzapfl.


Ich bin keine Tennisspielerin und ich habe daher keine Ahnung von den medikamentösen Manipulationsmöglichkeiten menstruierender Tennisspielerinnen. Aber wir haben, abgesehen von den Varianten, die du schon genannt hast, nichts im Petto, womit sich die Periode hinauszögern ließe. Deshalb kann ich am heutigen Tag exklusiv aus dem Zentrum des Geschehens berichten. Wollt ihr es genau wissen? Ja, ihr wollt es genau wissen, sonst hättet ihr nicht gefragt. It’s a girl thing.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich leide seit genau zwei Stunden fiese Höllenkrämpfe und werde die Redaktion verlassen, so bald diese Antwort geschrieben ist. Und warum? Weil ich nicht auf meine Period-Tracker-App geguckt hab, die auf meinem Handy installiert ist. Weil ich das immer vergesse. Hätte ich es getan, hätte ich gewusst, was mir blüht und Schmerztabletten eingesteckt. Nicht nur das. Ich hätte schon vor Tagen prophylaktisch begonnen, Magnesium zu nehmen und Mönchspfeffer und eine Ladung Buscopan plus obendrauf.

Aber von Anfang an. Das mit dem Zyklus „tracken“, das ist etwas, dass man - wenn überhaupt - erst beginnt, wenn man schon einige Jahre seine Tage hat. Am Anfang protokolliert man nämlich gar nichts. Auch wenn Mama sagt, dass man das ab jetzt bitte machen soll. Am besten ganz unauffällig im Kalender, kleines Kreuzchen oder so was. Hält man aber für den üblichen Erwachsenenquatsch. Perioden-Kreuzchen in den Kalender malen, das ist wie alle 14 Tage das Bett neu beziehen (mit gemangelter Bettwäsche, wtf?!), wie Zimmer aufräumen, wie Socken zusammenlegen.

Beim ersten Frauenarztbesuch wird es einem erneut ans Herz gelegt, diesmal sehr mahnend und man kriegt eine grafisch katastrophal gestaltete (IT-Firma Optik meets ClipArt meets rosa Farbtupfer wie Herzen oder Blüten) kleine Faltkarte in der Größe einer Visitenkarte. Da soll man ab jetzt eintragen, wann man seine Tage hat. Na gut, sagt man dem Arzt entgegen, und meint es genauso ernst, wie man es ernst meint, wenn man nickt, nachdem der Zahnarzt sagt, dass man jeden Tag Zahnseide benutzen muss. Zu sich selbst sagt man: Go home, Alter, jeden Monat eine Unterhose ruinieren ist immer noch besser, als Kreuzchen im Kalender machen.

Dann nimmt man vielleicht ein paar Jahre später die Pille, und dann braucht man sowieso keinen Tracker mehr, weil dann weiß man ja, dass die Tage immer dann kommen, wenn die 21 Pillentage vorbei sind. Und ist man jetzt eine Tennisspielerin und kann es sich nicht erlauben, an gewissen Tagen Periodenbeschwerden zu haben, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass man die Pille nimmt, die man dann an ungünstigen Terminen ja auch easy mal durchnehmen kann. Und ich würde nicht ausschließen, dass es im professionellen Sportbusiness auch noch andere Möglichkeiten gibt, das ungünstige Menstruieren schnell wegzumogeln. Da will ich aber nicht rumspekulieren. Dass die Watson ihrer Periode ebenso hilflos ausgeliefert ist, wie ich, spricht ja dafür, dass sie nix nimmt.

Aber zurück zu den Trackern. Klar: Sie nerven. Weil sie einen zur Kleinlichkeit zwingen. Weil sie hässlich sind. Weil die meisten medizinischen Sachen hässlich sind und nach dem Prinzip rosa-für-Mädchen und blau-für-Jungs entworfen werden. Aber es gibt sie eben, und es gibt sie nicht ohne Grund. Denn grundsätzlich hilft das Tracken zu vermeiden, dass man jeden Monat aufs Neue Klamotten ruiniert, von unbändigen Schmerzen überrascht wird und keine Medikamente dabei hat. Oder aus einer hirnrissigen Laune heraus und ohne rationalen Grund die eigene Beziehung beendet. Oder Fernsehreportern aufgebracht erzählt, dass man leider das Match verloren hat, weil man seine Tage hatte.

Man muss leider der Typ sein fürs Tracken. Man muss dieses Mädchen sein, das immer Taschentücher in der Handtasche hat, immer Labello und Handcreme und Kaugummis. Man muss das Mädchen sein, das jeden Morgen die Haare föhnt und nie im ungebügelten Pullover vor die Tür geht. Dann schafft man es vielleicht auch mühelos, die eigene Periode zu tracken. Rechtzeitig Magnesium zu nehmen. Immer Buscopan auf Tasch zu haben. Und so weiter. Ist man dieses Mädchen nicht, dann, tja, dann hat man es mitunter schwer im Leben. Peace, Watson!

Text: elias-steffensen - Illustration: katharina-bitzl

  • teilen
  • schließen