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Können wir direkt Freunde bleiben?

Text: ValentinaBlau

Eine der Kernfragen nach einer Beziehung: Können wir Freunde bleiben?
Grundsätzlich: nein! In meinem einen, speziellen Fall: Ja. Sogar Körperfreunde.



Als Single Ende 20 blickt man auf einige gescheiterte Beziehungen und Beziehungsversuche zurück und nicht selten frage ich mich: „Warum können dieser oder jener Mann uns noch immer nicht in die Augen sehen, obwohl das Ganze schon so lange her ist. Warum können wir nicht Freunde sein?“ Ich wage die These, dass ein Grund dafür die Tatsache ist, dass wir in manchen Fällen in Wahrheit nie mehr als Freunde waren, die an dem Versuch daraus Liebe zu machen gescheitert sind.



Die Geschichte von mir und dem Mann, meinem Körperfreund, den ich heute nur mein Antidepressivum nenne, beginnt vor 5 Jahren:
Der Mann trägt eine kurze Turnhose und ein Tanktop aus Netz. Darüber hat er einen weißen Pelzmantel an und seine dunklen Haare gehen ihm bis kurz unters Kinn. Ich trage eine Ananasbrille und habe Liebeskummer. So weit, so absurd. Ich erinnere mich an wenig unserer ersten wilden Unterhaltung im Kölner Karneval, er sich am nächsten Tag dafür noch ganz gut und das obwohl ich allein heimgehe.
Mein emotionaler Kater des nächsten Vormittags ist von einem anderen Stern und die Frage, ob ich mit dem Ablenkungsmanöver von gestern Abend essen gehen will, die überfordert mich. Ich sage zu, allerdings will ich nicht essen, sondern nur trinken.



Am Tag des Dates trinke ich vorher eine halbe Flasche Sekt auf nüchternen Magen und treffe mich mit ihm. Er sieht gut aus, etwas klein, aber schon attraktiver als ich dachte. Wir trinken weiter, ich finds gut. „Irgendwie hat dieser Mann etwas von einem Antidepressivum“ denke ich zum ersten Mal, obwohl er nicht sonderlich witzig ist (zumindest nicht witziger als ich, aber ich bin auch ziemlich witzig), ein bisschen zu drogensüchtig und nichts von meinem an die Vorstufe einer Depression grenzenden Liebeskummer weiß.



Küchenpsychologie sagt: Der tut dir gut. Ich sage: „Ja, why not. Schlimmer wird’s nicht.“



Die nächsten Monate sind ein versoffen-wohliges Wechselbad zwischen unserem rührenden und auch verliebten Bemühen darum, aus diesen zwei inkompatiblen Einzelschicksalen so etwas wie eine Beziehung entstehen zu lassen und dem Scheitern an eben jener Aufgabe. Das Scheitern gewinnt. Dramatisch, kurz, schmerzvoll, aber so, dass eine Bindung bleibt.
In den Nächten der kommenden Jahren entwickelt sich nun aber doch eine Beziehung zwischen uns, die zwar keinerlei Perspektive hat, auch keine Weihnachtsfeste mit unseren Familien beinhaltet, aber für mich eben die Wirkung eines Antidepressivums bei Bedarf hat. Geht es mir schlecht, dann ziehe ich los, verfange mich in den Leinen, die das Leben lockert, ziehe an altbekannte Plätze und suche gezielt nach meinem Körperfreund. Es ist so viel passiert zwischen uns die letzten Jahre, so viele neue Partner, so viele neue Abschiede, aber nach wie vor ist er mein Anker in einer Nacht, in der ich nicht weiß, wohin mit mir. Wir sehen uns und es ist so vertraut. Keine Liebe! Nein, das war es ja nie, aber auch nicht weniger. Vetraute Worte, ehrliche Blicke, humoriger Schlagabtausch, noch immer Anziehung, dann der Heimweg. Keine Hemmungen, keine Peinlichkeiten, keine Versprechungen, so lautet der Deal.
Ich wache am nächsten Morgen neben ihm auf und finde es schade, dass unsere Morgende immer mit Kopfschmerzen beginnen. Gleichzeitig ist es ein schöner Hinweis darauf, dass unser Verhältnis nach ein wenig vertrautem Taumeln nie zu mehr als einem bisschen Betäubung an schmerzenden Stellen, einem guten Gespräch und zu hämmernden Kopfschmerzen am nächsten Morgen führen wird.



Wieso ist das zwischen uns so leicht, warum ist er noch immer da und noch immer möglich, während all die anderen Kandidaten nach dem Scheitern nicht mehr sind als verbrannte Erde am Wegesrand und ein kleiner Stich an der Stelle, wo es vorher mal schön war?



Ich glaube, ich habe für meinen Fall die Antwort gefunden, warum der Sex mit dem Ex in diesem Fall nicht schmerzt, sondern sogar Schmerzen lindert. Wir sind an der Liebe gescheitert, ja, aber wir haben früh akzeptiert, dass das Potenzial für die ganz großen Gefühle bei uns gar nicht besteht. Wir haben uns die Anziehung trotzdem bewahrt, die Tatsache, dass wir es gut miteinander meinen. Die Frage: „Können wir Freunde bleiben?“ haben wir gar nicht erst aufkommen lassen, sondern sind einfach Freunde statt Liebender geblieben. Körperfreunde eben.
Das funktioniert natürlich nur, wenn beide Seiten so empfinden und ich bin dankbar dafür, dass wir das so gut hinkriegen, aber nichtsdestotrotz hat dieses Verhältnis meine Herangehensweise an neue, potenzielle Lovestorys geprägt und ich denke bei anfänglichen Zweifeln manchmal:



Vielleicht können wir ja direkt Freunde bleiben.






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