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Mädchen, was sollen diese Komplimente auf Facebook?

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Nehmen wir an, ein Freund von uns, nennen wir ihn Harry, fügt ein neues Profilbild hinzu. Er ist drauf zu sehen, ganz gut ausgeleuchtet, im Urlaub, mit relativ frisch gebräunten Unterarmen und meinetwegen einem gut sitzenden T-Shirt.

Würden wir dann sowas drunterschreiben wie: „Du Hübscher!“ - „Soooooooooo schön!“ - „WUNDERschöner Harry!!! <3“ – „¡¡Guapo!!!“ – „Wie süß! Miss you!“ – „uuu, schöne haaris! :D“ – „Komm sofort hierher du hübscher! SOFORT!“

Na? Würden wir? Nein. Würden wir nicht. Nicht mal nach zwölf Weißbieren. Und wenn doch – etwa, weil wir finden, dass Harry mit diesem Foto aber mal echt den Vogel namens Über-Eitelkeit abgeschossen hat – dann mit so beißender Ironie, dass Harry das Foto schleunigst wieder runternimmt.

Ihr aber, liebe Mädchen, macht das. Wenn eine von euch auf Facebook ihren Freundinnen ein Foto hinstellt, kann sie sich sicher sein, dass binnen Minuten die Komplimente loshageln. Und zwar unter jedem Foto, egal wie gut gelungen, wie selbstverliebt, egal wie vollironisch oder hässlich es sein mag.

Wir kennen das zum einen bei Topmodels, denen ihr auf Instagram folgt. Da verstehen wir noch, wenn ihr in arg jungen Jahren und mit arg viel Kleinmädchenrespekt sowas schreibt wie: „Uuuh, bist du schön, bittebitte folge mir zurück, Cara!“ Was uns aber verwundert, ist die Hartnäckigkeit, mit der ihr selbst solchen Mädchen ihr Hübsch-Süß-Schön- und grundsätzliche Unwiderstehlichkeit attestiert, die, sagen wir, uns Jungs auch noch auf den zweiten Blick nachzuvollziehen Mühe kostet.

Was hat es mit dieser reflexhaften Komplimentiererei auf sich? Verteilt ihr Komplimente wie manche Leute Weihnachtskarten – je mehr rausgehen, desto mehr kommen hoffentlich auch zurück? Erklärt es uns, ihr Hübschis!

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort von martina-holzapfl.



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Glücklicherweise kann ich mich auf deine Frage hin entspannt zurücklehnen und sagen: Also ICH gehöre ja nicht zur Gruppe der Komplimentiererinnen, ABER natürlich weiß ich ganz genau, wovon du sprichst. Und kann es dir erklären.

Das Bild mit den Weihnachtskarten ist schon nicht schlecht. Gerade, weil der Grad zwischen Verschwesterung und geiferndem Neid unter Mädchen oft nur sehr schmal ist, (das eine existiert auch gern neben dem anderen her, wie sich im deutschen Bildungsfernsehen der Sorte „GNTM“ oder „Bachelor“ beobachten lässt), stellt das großzügige Verteilen von Komplimenten unter Mädchen eine Art „Vorsorgestrategie“ dar.

Und die funktioniert so: Macht man sich durch säuselnde Worte als eine bekannt, die kein Problem damit hat, anderen (insbesondere anderen Frauen!) zu sagen, wie schön sie sind, erweckt man den Anschein einer selbstlosen Gönnerin. Anderen Honig ums Maul zu schmieren, heißt auch, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Sich ein bisschen zu verbeugen. „Ach, du Hübsche“ irgendwohin zu schreiben, soll heißen: „So wie du wäre ich auch gern, werde ich aber nie sein...“. In Wirklichkeit heißt es natürlich vor allem: „Naja, ganz nett, aber wenn ich so ein Foto von mir machen würde, dann wäre das mindestens so heiß und hätte auch voll viele Likes, okay?“

Hinter der vermeintlichen Nettigkeit steckt also auch ein erstes Reusewerfen des „Fishing for compliments“. In den Anderen soll jetzt der Reflex entstehen, zu sagen: „Ach komm, das musst DU gerade sagen! Selber Hottie!“ Egal, ob diese Reaktion sofort erfolgt oder nicht - was zählt, ist: Nach der eigenen Großzügigkeit sind jetzt die anderen in der Bringschuld. Der gesamte ausgetauschte Kommentarhonig ist quasi nur geliehen! Er dient auch als Kitt eines Nichtangriffspakts, der besagt: „Hey, ich mach dir Komplimente, also wag es nicht, je gemein zu mir zu sein oder mich nicht auch immer zu unterstützen und zu verteidigen!“

Aber man muss das Ganze hier eigentlich auch gar nicht so verbitchen. Man kann es auch andersrum drehen, und sagen: Wir Mädchen, wir pflegen eben unser Karma. Wir richten unser Leben nach dem Spruch: „Wie es in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus!“

Und ihr Jungs, ihr seid bemühte Coolspießer, die auch 2014 noch voll Angst davor haben, nett zueinander zu sein, weil ihr fürchtet, als „schwul“ oder „eierlos“ verspottet zu werden. Gebt euch einen Ruck. Ihr wollt doch auch geliebt werden!


Text: lucas-grunewald - Cover: time./photocase.de

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