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Die letzten Tage im alten, die ersten Tage im neuen Jahr

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Wichtigster Tag diese Woche:
Ach herrje! Ich glaube ja, dass es in keiner Woche des Jahres schwieriger ist, sich auf den wichtigsten Tag festzulegen, als in dieser. Der Mittwoch, weil letzter Tag des alten Jahres? Oder doch der Donnerstag, weil neues Jahr und so?

Bevor ich mir lange den Kopf zerbreche, schummle ich ein bisschen und sage: Die definitiv wichtigste Nacht der Woche wird die vom 31.12. auf den 1.1. Zugegeben: Das ist keine allzu spektakuläre Erkenntnis – aber obwohl ich ab und zu ganz gerne aus Prinzip gegen den Strom schwimme, erscheint es mir dann doch etwas gewagt, willkürlich den 3.1. zum wichtigsten Tag auszurufen, nur um meinem ach so individuellen „Ich bin dagegen!“-Drang Rechnung zu tragen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Eigentlich bin ich gar kein so großer Silvesterfeierer und meist eher genervt, wenn zum Jahresausklang immer alle ganz hektisch werden, weil die letzte Party des Jahres ja auch unbedingt die beste Party des Jahres werden muss. Aber spätestens um 23 Uhr packt es mich dann doch, ich lasse die vergangenen zwölf Monate Revue passieren, werde schrecklich sentimental und nehme mir ganz viele Dinge vor, die ich im neuen Jahr auf jeden Fall oder bloß nicht tun will. Kurzum: Wichtiger als von Silvester auf Neujahr wird’s diese Woche nicht mehr.

Kulturelles Highlight:
Puh, das wird schwierig. Ich weiß nämlich noch überhaupt nicht, was mich in der Woche erwartet. Also Montag und Dienstag weiß ich das schon, da werde ich ganz normal arbeiten (und vermutlich weder Zeit noch Nerven für ein aufregendes, kulturelles Abendprogramm haben). Ab Mittwoch verschwinde ich in einem großen, schwarzen Loch: Zusammen mit einer Handvoll fürchterlich netter Menschen verbringe ich vier Tage im Hunsrück.

Der Einfachheit halber zitiere ich aus der Einladungsmail:
„Was es dort gibt: Wald (viel). Einen großen, gemütlichen Küchentisch. Einen Kamin. Eine Sauna.
Was es dort nicht gibt: Internet. Handynetz. Ampeln. Einen Bahnhof.
Was ihr dort braucht: Wanderstiefel. (Mindestens) ein gutes Buch. Eventuell einen Schlafsack.
Was ihr dort nicht braucht: Euer Glitzertop. Eine Uhr. Geld.“

Sprich: Wir werden ganz bestimmt viele Bücher lesen, lange Waldspaziergänge machen und über alles reden, was wir im letzten Jahr erlebt haben. Was wir ganz bestimmt nicht machen werden: Kneipen entdecken (mangels Kneipen), ins Theater gehen (mangels Theater) oder sonstige Kulturveranstaltungen besuchen (mangels sonstiger Kulturveranstaltungen). Das Einzige, was ansatzweise als Kultur durchgehen könnte, sind ausgedehnte Gesellschaftsspielerunden. Kulturelles Highlight also: meine Pantomime- (gehen als Kabarett durch) bzw. Zeichen-Versuche (gehen als moderne Kunst durch) beim Activity-Spielen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Politisch interessiert mich:
Nichts.

Uff, dass ich das mal so schreiben würde, hätte ich auch nicht gedacht: Ich bilde mir eigentlich viel drauf an, dass ich ach so politikinteressiert bin. Aber diese Woche möchte ich einfach nur abschalten. Ich möchte mich aus dem unaufhörlichen Nachrichtenstrom ausklinken, ich möchte nichts von Pegida hören, möchte Flugzeugabstürze in Südostasien, sinkende Fähren vor Griechenland, Schreckensmeldungen aus Syrien und alle sonstigen Katastrophen das sein lassen, was sie sind: Nachrichten, die mit meiner ganz persönlichen Lebenswelt nur entfernt zu tun haben – und die man für ein paar Tage ausblenden darf, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Soundtrack:
Ich weiß es nicht. In meinem Reisegepäck landen weder mp3-Player noch Laptop mit externer Musikfestplatte; ich vertraue ganz auf den Musikgeschmack der anderen Mitfahrer.

Falls sich das alle denken und wir am Ende ganz ohne Musik dastehen, ist das aber auch kein Problem. Ich habe gerade den Jahrespoll von Plattentests ausgefüllt und musste bei meinem Song des Jahres keine Sekunde nachdenken. Die wunderbaren Wanda haben mit „Bologna“ ein Lied geschrieben, das sich längst so tief in mein musikalisches Gedächtnis eingebrannt hat, dass ich die Melodie in mir herumtrage, ohne es dafür in echt hören zu müssen. Und „Wenn jemand fragt wohin du gehst, sag nach Bologna! // Wenn jemand fragt wofür du stehst, sag für Amore, Amore!“ ist doch eine wunderbare Zeile, um ein neues Jahr zu beginnen. Noch dazu mit dem charmantesten Wiener Akzent, den man sich vorstellen kann.

https://www.youtube.com/watch?v=xREl_68O-mw

Kinogang?
Kurz und knapp: nein.

Geht gut diese Woche:
Wunderkerzen. Akkus auftanken. Wehmütig werden, weil schon wieder ein Jahr vorbei ist.

Keine Chance diese Woche:
Sich über nicht eingehaltene gute Vorsätze zu ärgern. Bringt ja eh nix.

Text: simon-hurtz - Fotos: Christian Schnettelker/www.manoftaste.de; Walter-Wilhelm

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