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3. Date

Text: mellanhavande
‚Whatsapp: Gabi: Good morning!!!!!!!!’ lese ich auf meinem Handy nachdem ich mit einem massiven Kater gegen 14 Uhr aufwache und zum ersten mal auf mein Handy schaue. ‚Wer ist Gabi und was soll an diesem Morgen gut sein?’ frage ich mich und rekapituliere den gestrigen Abend. Wir waren in Walters Bierhaus. Genau der Ort an dem ich schon den letzten zarten Versuch einer Beziehung mit Vollgas an die Wand gefahren habe. Ich erinnere mich wie wir Sabine gegen Mitternacht „Happy Birthday“ auf die Mailbox sangen und bei Gott wir sind nicht der Leipziger Thomanerchor. Ich erinner mich weiter an ein kurzes Gespräch auf Whatsapp, weiß aber nicht mehr um was es genau ging, sehe mich im Moment aber auch außer Stande mich einer nochmaligen Lektüre zu stellen.

‚Boar und jetzt kommt Sie morgen Abend zum essen und ich muss mir noch was überlegen, was ich ihr schenke und koche’ denke ich, stehe auf und ziehe mir die verrauchten Klamotten vom Vortag an und schaue in meinen Kühlschrank. Ich nehme einen verschimmelten Brotaufstrich aus dem Kühlschrank und schmeiße ihn in den Müll. ‚Was haben andere Menschen eigentlich so im Kühlschrank?’ frage ich mich während ich nur auf drei Bierflaschen und nen braunen Fleck schaue.

Nach der Google Suche „was zum Geburtstag kochen“ lande ich im Forum von Chefkoch. Kalbs- oder Schweinemedaillons auf Sahnezucchini – ‚Zucchini sind doch die Dinger die aussehen wie Gurken’ denke ich.
Die Suche nach „einfaches Gericht“ bringt mich zu „cremiger Nudelauflauf mit Tomaten und Mozzarella“. Könnte was werden, wenn nicht in der Auflaufform gerade noch ein Schnitzel schimmeln würde.
Tim ruft an und fragt wie es mir so geht. Ich seufze. Er meint, dass er auch voll dabei sei mit Sodbrennen, Kopfschmerzen, dem ganze Programm eben. Schlagartig muss ich wieder an sie denken. Die Frau mit der ich im Bauernstübchen geredet habe. Zwei Stunden saßen wir da und unterhielten uns über Entwicklungshilfe, das erwachsene Leben, Kinder und unsere Zukunft. „Weißt du eigentlich noch wie die ausm Bauernstübchen hieß?“ meine ich. „Nö aber sie hat dir doch ihren Namen gesagt wegen Facebook.“ – „Hab ich vergessen.“ – „Vielleicht auch besser so. Weißte inzwischen was du Sabine schenken willst?“ – „Keine Ahnung aber sie hat sich heute auch noch nicht gemeldet.“ – „Back ihr doch einfach nen Kuchen. Das ist recht unverfänglich und du gibst dir trotzdem Mühe.“ Ich denke immer noch an die Frau aus dem Bauernstübchen. Sie hatte diese ultimative Anmut. Wenn sie in der schäbigsten Kaschemme sitzt, wird die Kaschemme direkt ein bisschen weniger schäbig. „Ja das mach ich dann wohl aber sag mal du hast wirklich keine Idee mehr wie die hieß oder?“ – „Oh Mann... ne aber hmm also ihr habt euch ja schon echt gut unterhalten, ne?“ – „Ja das isses ja eben aber jetzt back ich erstmal den Kuchen.“ Kurze Zeit später schickt mir Tim ein abfotografiertes handschriftliches Rezept für ein Rührkuchen per Mail. ‚Wo hat er immer nur dieses Zeug her?’ frage ich mich aber bin hauptsächlich froh nicht noch eine Suchaktion starten zu müssen.

Meine Einkaufsliste ist lang. Erstaunlich, dass man 4 Jahre in einer Wohnung leben kann, ohne sich zumindest mal Mehl oder Zucker zu kaufen. Irgendwann steh ich dann aber tatsächlich bis unter die Zähne mit Vanillezucker und Backpulver bewaffnet in meiner Küche. Nur um festzustellen, dass ich noch nichtmal eine Schüssel habe. ‚Boar und sone Backform und ein Rührding brauch ich ja auch noch... Naja was soll’s – 14 Tage Rückgaberecht.’ Denke ich mir und mach mich wieder auf den Weg. Die Küchengeräteabteilung in großen Einkaufscentern muss für Männer das sein was ein Baumarkt für viele Frauen ist. „Moin ja also ich brauch... hier ne ... so ein Rührding“ sage ich und mache eine ausladende Bewegung. „Einhandrührgerät?“ antwortet die Verkäuferin und schaut mich fragend an. Ich fühle mich sofort an meine Bohrmaschine erinnert, die durchaus auch auf Zweihandbedienung ausgelegt ist. „Ja hmm... keine Ahnung also ich will halt so ein Rührkuchenteig rühren. Ich nehme an das wird nicht so ne massive Angelegenheit wie... sagen wir ein Pizzateig.“
„Ja also ein Pizzateig können sie mit einem Handrührgerät nicht kneten. Da brauchen sie dann schon eine Küchenmaschine und selbst die können es nicht alle.“ Sagt sie und ich überlege mir ob ich Sabine vielleicht ne Pizza backen soll, verwerfe den Gedanken aber schnell wieder. „Ne also das hab ich jetzt doch nicht vor... Geben Sie mir einfach das billigste Rührgerät was Rührkuchenteig rühren kann.“

Nachdem ich alles ordnungsgemäß verrührt habe und die Kuchenform befüllt ist, sehe ich dringende Veranlassung Tim noch einmal zu kontaktieren. „Na hastes hinbekommen?“ fragt er noch leicht schläfrig „Ja ich stelle mir nur die Frage, wo du das Rezept her hast. Ich hab die eine Form befüllt und es ist wohl noch genug Teig da um bei Coppenrath & Wiese die Produktion von Rührkuchen über Monate aufrecht zu erhalten.“ Er erklärt mir, dass er das von seiner Mutter hat und eine nicht allzu geringe Chance besteht, dass dieses Rezept mit diesen Mengenangaben zuletzt bei der Konfirmation seines kleinen Bruders zum Einsatz kam. Als ich um 2 Uhr morgens den fünften und letzten Rührkuchen aus dem Backofen nehme, mach ich mir zum ersten Mal sorgen, weil sie sich den ganzen Tag über nicht mehr gemeldet hat. Ich lese das Whatsapp Gespräch nochmal. ‚Das war kein Heldenstück Octavio’ denke ich mir und hoffe, dass sie sich am nächsten Tag noch meldet. Immerhin sind wir ja da auch erst verabredet.

Am morgen nachdem das Date hätte sein sollen, lese ich in meiner Whatsapp Gruppe die wildesten Spekulationen darüber ob ich nun eine Freundin habe und wie es gelaufen ist. „Ne boys, das war nix. Aber ich hab Rührkuchen in biblischem Ausmaß. Wollt ihr rumkommen?“ schreibe ich und muss schmunzeln.

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