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Mädchen, wann sind wir "Vatermaterial"?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Liebe Mädchen, Es geht heute um einen Ausspruch, den wir lang falsch verstanden haben: „Der ist der Vater meiner zukünftigen Kinder“. Wir dachten eigentlich immer, der sei ein halb niedlicher halb beängstigender Code für „Mit dem will ich für immer zusammen sein“. In unserer Wunschvorstellung von der Welt ging das mit der Familienplanung nämlich so: Junge trifft Mädchen (oder umgekehrt), Junge und Mädchen verlieben sich ineinander, Junge und Mädchen finden sich auch nach ein paar Jahren und einem Asienurlaub mit paarintern ausgetauschter Magendarm-Grippe noch toll – und dann eben Familie.

Mit der Zeit habe wir dann aber gemerkt, dass es dazu auch noch einen ganz abstrakten Kinderwunsch gibt: kleine Finger, kleine Zehen, kleine Füßchen, kleine Socken. Will ich! Der ist bestimmt grundsätzlich unisex, hat wenigstens in meinem Umfeld aber doch eine deutliche Schlagseite Richtung Frauen. Und damit bekommt der Ausspruch vom Vater der zukünftigen Kinder doch eher eine sehr buchstäbliche Bedeutung. Oder? Und die müsst ihr hier bitte mal erklären. Und deshalb ganz viele Fragen beantworten - und ja, auch Sorgen zerstreuen: Was heißt „Das ist der Vater meiner zukünftigen Kinder“ nun genau? Und wenn es tatsächlich heißt, der Typ ist Vatermaterial: Wodurch zeichnet sich jemand aus, über den ihr so etwas sagt? Verantwortungsgefühl? Charakter? Geiles Aussehen? Geborgenheit? Bankkonto? Doch Ernährung? Und noch wichtiger: Gibt es einen Punkt, an dem ihr Typen hauptsächlich nach diesen Kriterien aussucht? Haben wir, wenn wir nicht als Vatermaterial durchgehen, dann keine Chance mehr bei euch? 

Und damit fast am wichtigsten: Können wir uns irgendwie geehrt fühlen, wenn ihr uns als Vatermaterial auserkoren habt? Oder heißt das: Ist halt ein solider Typ. Musst du dir keine Gedanken machen, dass er irgendwann wegrennt. Gibt es also einen Unterschied zwischen zukünftigen Vätern, professionellen Hirnrausvöglern, coolen Boyfriends und Typen, mit denen man einfach so für immer zusammenbleiben will? Sagt mal.

Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Na klar könnt ihr euch durchaus geehrt fühlen, wenn ein Mädchen euch dieses Etikett anklebt. Dann heißt das nämlich: Ihr seid das absolute Komplettpaket aus Hirnrausvögler, coolem Boyfriend und solidem Typ. Und das kleben wir ja nicht allen Jungs an. Denn natürlich verlieben wir uns im Laufe unseres Lebens auch Hals über Kopf in die verkehrtesten Typen, die die Stadt so zu bieten hat: Böse Jungs mit schlechten Gewohnheiten zum Beispiel, Jungs mit so vielen psychischen Knacksen, dass sie sich ausschließlich mit sich selbst beschäftigen können. Jungs, deren Aktivitäten vor allem danach ausgerichtet sind, ob sie „ne coole Zeit“ haben können. Oder Männer, die es akzeptabel finden, auch abseits von Studentenpartys von Papptellern zu essen. In solchen Typen verlieben wir uns durchaus. Und wenn diese Verliebtheit dann vorbei ist, dann schlagen wir drei Kreuze, dass wir immer verhütet haben und jetzt kein lebendiges Souvenir zuhause sitzen haben, das uns den Rest unseres Lebens an die kurzzeitige geistige Umnachtung erinnern wird, die uns damals offensichtlich beschlich.

 

Diese Jungs sind also definitiv keine Kandidaten für geplante Vermehrung. Damit einer das Etikett „Vater meiner zukünftigen Kinder“ verpasst bekommt, muss er einige Kriterien erfüllen. Ich habe da mal in einer Liste zum Ausdrucken zusammengestellt:

 

Er sollte lieb sein. Also jetzt nicht doof lieb. Aber er sollte einen positiven Ausblick aufs Leben haben und 80 Prozent der Zeit freundlich zu seinen Mitmenschen sein. Jähzorn, weltschmerzverliebte Attitüde oder grundsätzlicher Verdruss mögen bei der Produktion von Weltliteratur von Nutzen sein, bei der Aufzucht von Kindern sind sie nicht angebracht. Er sollte zumindest grundsätzlich Bock darauf haben, regelmäßig zu arbeiten. Es ist gar nicht unbedingt nötig, dass er einen festen Job hat. Aber wenn der Junge mir erzählt, dass er es niemals aushalten könnten, einen Chef zu haben, der ihm sagt, was er tun soll, und der davon faselt, immer nur das zu tun, worauf er Lust hat und wenn das bedeutet, die nächsten zwei Jahre in der Hängematte zu liegen, dann tut er das auch... also, dann wird’s schwierig.

 

Ebenfalls sollte derjenige keinen Kotzanfall bei der Aussicht bekommen, die nächsten Jahre an ein und demselben Ort wohnen zu bleiben. Ihr kennt diesen Typ Mensch, der noch unbedingt nach Berlin, Vancouver und Paris ziehen muss, bevor er 30 ist? Schwierig. Wobei ich Umzüge nicht grundsätzlich ausschließen möchte, aber eine gewisse Sesshaftigkeit ist vonnöten, Stichwort Schulpflicht, etc.

 

Er muss zuverlässig sein. Zumindest bei den wichtigen Dingen. Wenn er ausgemacht hat, mich zum langweiligen Tanten-Essen zu begleiten, kann er nicht 15 Minuten vorher per SMS absagen, weil er sich aus Versehen mit seinem Kumpel aus Shanghai einen angesoffen hat.

 

Er sollte so viel Humor haben, die absurden Situationen zu erkennen und sich daran zu erfreuen. Ich muss ihn so sehr schätzen als Mensch, dass ich mir sicher bin, ihn auch dann noch okay zu finden, wenn wir uns dann doch nicht mehr lieben und uns nur noch treffen, weil mit den Kindern wieder irgend welche Kinder-Krisen anstehen – Kindergarten-Beef mit Freunden, Beinbruch, Pubertät, Studienfachwahl Video-Kunst....

 

Ich muss mich darauf verlassen können, dass er geduldig genug ist, mehrere Nächte hintereinander mit einem tobenden Kleinkind wach zu verbringen und ihm nichts antut. Ich muss mir vorstellen können, in seinem Beisein zu gebären. Und so eine Geburt ist sehr viel langwieriger und sehr viel reicher an Körperflüssigkeiten, als es einem Hollywood weismachen will. Geiles Aussehen ist dagegen nach meiner Erfahrung eher nebensächlich, beziehungsweise Definitionssache. Aber wir sind definitiv nicht auf der Suche nach dem heißesten Genpool, wenn wir einen Vater für unsere künftigen Kinder suchen. 

 

Jetzt, bei der Durchsicht der Liste erkenne ich, warum ihr vielleicht denken könntet, dass "der zukünftige Vater meiner Kinder" ein Synonym für den größten Schnarchzapfen aller Zeiten ist. Aber ich kann euch versichern, dass dem nicht so ist. Ab einem gewissen Alter gewinnen eure solideren Eigenschaften nur einfach sehr an Attraktivität, besonders wenn wir darüber nachdenken, diesen Riesen-Schritt zu tun und uns tatsächlich für den Rest unseres Lebens so ein Kind anzuschaffen. Die Fähigkeit, aus zwei Schnapsflaschen eine Bowle zu basteln, fällt dagegen in diesem Zusammenhang im Ranking ein paar Punkte nach unten. Aber das ist, ganz ehrlich, kein allzugroßer Verlust. Oder?

 

Illustration: katharina-bitzl

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