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Start ins Studium: Über WG-Castings in Großstädten und alternative Wohnprojekte

Text: plissees


Vorsprechen für einen heiß begehrten WG-Platz, noch bevor die erste Prüfung an der Universität abgelegt wurde: So haben sich viele Studenten die Begleitumstände ihrer Einschreibung sicher auch nicht vorgestellt. Gerade in Großstädten kommt es immer häufiger zu WG-Castings, um einen begehrten und vor allem bezahlbaren Wohnraum zu bekommen. In großen deutschen Städten wie München, Hamburg oder Berlin sind freie Wohnungen nicht nur Mangelware, sondern auch für Studenten in der Regel nicht bezahlbar. In den letzten Jahren sind die Mieten oftmals um 40 % oder mehr gestiegen. Bei Wohnungsbesichtigungen kommt es dieser Tage daher nicht selten zur Bildung einer langen Schlange. Auch die kürzlich beschlossene Mietpreisbremse wird nichts daran ändern, dass alternative Wohnkonzepte in Zukunft nicht mehr aus dem Studentenleben wegzudenken sein werden. 

Die Wohnungsknappheit macht erfinderisch: WG-Castings und mögliche Wohnalternativen für Studenten 

Ein Zimmer in einer WG ist für viele Studenten in Großstädten oftmals die einzig bezahlbare Möglichkeit des Wohnens. Dementsprechend groß ist auch der Andrang bei Castings, die auf sozialen Netzwerken, an Infotafeln an der Universität oder durch Mund-zu-Mund-Propaganda beworben werden. Bei den informellen Gesprächen soll in erster Linie geprüft werden, ob die Chemie stimmt, schließlich soll das gemeinsame Leben hinter einer Tür auch mit einer gewissen Harmonie einhergehen. In letzter Zeit ist aber auch ein gewisser Pragmatismus zu verzeichnen. So haben vor allem solche Bewerber nebst originellem Auftreten mit nützlichen Einrichtungsgegenständen wie elektrischen Geräten eine gute Chance, aufgenommen zu werden, sofern ein akuter Mangel behoben werden kann. Aber nicht jeder Mensch ist WG-tauglich, schließlich leidet die Privatsphäre trotz aller Harmonie deutlich. In Berlin wird mit Eba51 ein modernes Containerdorf hochgezogen, das Studenten ein neues Zuhause geben soll. In verkehrsgünstiger Lage können Studenten hier kleine möblierte Apartments mieten, auch größere Varianten für WGs sind erhältlich. Im Mietpreis sind neben der kompletten Einrichtung sämtliche Nebenkosten enthalten, sodass eine gute finanzielle Planungssicherheit gegeben ist. In umgekehrter Sichtweise müssen Studenten diesbezüglich eine Bürgschaft der Eltern einreichen oder aber einen Verdienstnachweis, sofern sie arbeiten. 

Generation Facebook meets Altersheim: Wohnkonzepte mit sozialer Komponente 

In Freiburg können Studenten im Seniorenheim ein eigenes kleines Apartment für ca. 200 Euro plus Nebenkosten beziehen. Diese geringe und erschwingliche Miete ist an ein ehrenamtliches Engagement geknüpft. Für ca. 5 Stunden die Woche stehen die Studenten den Senioren für Einkäufe oder Arztbesuche zur Verfügung. Nicht nur bei den Studenten kommt diese Wohnformel gut an, auch die Nachfrage seitens der Senioren ist seit Bekanntwerden dieser Möglichkeit gestiegen. 

Notlösung oder die Chance für einen gesellschaftlichen Aufbruch? 

Momentan herrscht in den Großstädten ein akuter Mangel an bezahlbaren Wohnungen, vor allem für Studenten. Die immer häufiger anzutreffenden WG-Castings und aufkommende alternative Wohnformen wie die hier aufgeführten zeigen, dass die Not durchaus erfinderisch machen kann. Dies ändert langfristig aber nichts daran, dass die Politik ihre Wohnraumplanung wird überarbeiten müssen, denn langfristig muss Wohnraum bezahlbar bleiben. Bestens ausgebildete Nachwuchskräfte sind angesichts des Fachkräftemangels gefragt wie nie, aber die wohntechnischen Voraussetzungen für einen Start ins Fachstudium sind zum Teil katastrophal. Ansätze wie das Containerdorf in Berlin versprechen einen bezahlbaren Pragmatismus inklusive wünschenswerter Flexibilität, da das Mobiliar nicht gekauft werden muss. Und je nach Nachfragesituation können solche Dörfer schnell vergrößert werden. Dem Betrachter drängt sich aber irgendwie der Eindruck auf, dass diese Form des 'neuen Plattenbaus' gewissermaßen eine Art von Rückschritt ist. Letztlich muss aber jeder Student selber entscheiden, was er wohnungstechnisch für vertretbar hält. Insofern sind solche Konzepte gut geeignet, um kurzfristige Lösungen herbeizuführen. Das Beispiel aus Freiburg zeigt aber auch eindrucksvoll, dass die Wohnungsknappheit als Chance genutzt werden kann, um soziale Aspekte gezielt mit einzubeziehen. Insofern könnte so der Fachkräftemangel im Pflegebereich abgefedert werden und beide Generationen dürften vom täglichen Austausch durchaus profitieren.



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