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[ˈkafe, kaˈfeː]

Text: awurstbrotadaykeepsthedoctoraway

Ich schütte Kaffee in mich hinein, als bestünde tatsächlich noch eine Chance, mich in diesem Winter wach und munter zu fühlen. Ich schütte weiter, eigentlich tue ich den ganzen Tag über nichts anderes, als nachzufüllen, zu schütten, nachzufüllen, zu schütten, zwischendurch ein bisschen Wasser in die Tasse, wenn es gar nicht mehr geht mit dem Geschmack. In die Zeitspanne einer Tasse schwarz mit Zucker passen genau fünf Sätze, dann erstmal schütten. In 1-1,5 Stunden trifft man dieselben Gesichter wieder und hat Zeit für genau fünf Sätze, am Ende des Tages steht das Gefühl, jetzt doch ganz schön viel über die anderen zu wissen, und morgen ist Zeit, um die Beziehungen zu intensivieren. Auf der Heimfahrt ist mir übel, zuhause leg ich mich ins Bett und friere, irgendwie rast mein Herz. Ich bin doch gar nicht verliebt, sag ich mir, mein Körper ist verliebt, ich weiß nur noch nicht, in wen. Vielleicht verlieb ich mich morgen, vielleicht lade ich jemanden zum Kaffee ein. Die Nacht ist lang und vor allem dunkel, sie ist genauso schwarz wie der tägliche Inhalt meiner Tassen, wenn ich in die Nacht auch Zucker einrühren könnte, wäre das doch grandios. Leute vor mir müssen diesen Gedanken auch schonmal gehabt haben, irgendwer hat doch mal gesungen Sweet Dreams are made of these… Ich bin müde und wach und wach und müde und konnte noch nie so gut denken wie heute aber irgendwie suppt mir die Hälfte meiner Gedanken weg noch bevor ich sie denken kann und mein Herz galloppiert neben dem Bus her ich hab Angst dass es jemand anfährt und was mach ich denn dann ich mein was mach ich dann? Ich atme durch. Ein vertrauter Duft hängt in der Luft, da stehen auch schon welche an am Automaten und ich sehe den Ausdruck in ihren Gesichtern und Worte dringen an mein Ohr die ich nicht glauben will nein nicht glauben kann kaputt ist er kaputt



Tasten klappern. Trauriges Tastenklappern aus den Zimmern. Sogar die Computer sind traurig, weil ihnen heute keiner was über die Mütze schüttet oder auf den Bildschirm prustet weil alle heute nicht ständig aufs Klo müssen und weil der bittere Geruch nicht aus den Mündern strömt die ins Telefon quatschen.



Irgendjemand hat eine Packung Tee aus dem Schrank gekramt, da waren sogar ganz viele verschiedene Sorten drin, wir testen uns erst durch heimische, dann durch exotische Flora. Und so vergeht der Tag und aus dem Automat tropft stoßweise braune Brühe, ein Eimerchen fängt alles auf. Morgen will einer Strohhalme mitbringen und vielleicht sitzen wir dann im Kreis um den Eimer und schlürfen es wie Sangria, kommt drauf an, wann uns TWININGS ausgeht.



Im Bus presse ich meine Stirn gegen die Fensterscheibe, gestern war ich verliebt, heute bin ich todmüde. Und es regnet und ist kalt und ich will in diesem Winter eigentlich auch gar nicht wach und munter sein.

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