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Ein Sonntag Nachmittag im Regen

Text: AndresRunge
Wenn leichter Regen an einem Sonntag fällt, schaue ich aus dem Fenster in das tiefe Grau des Himmels. Es lockt mich raus aus meiner warmen Wohnung. Nicht weil ich diese Nässe, diese Kälte, die sich immer tiefer in die eigenen Gliedmaßen gräbt oder das damit verbundene Grau liebe.
Nein, es ist die Konstellation Sonntag und Regen, die mich auf die Straßen ruft.
Ich mache mich auf, ziehe mich warm an, ziehe den schwarzen Regenschirm hinter dem Schrank hervor und gehe nach draußen. Automatisch laufe ich zur U-Bahn, da ich das was ich suche nicht in meinem Viertel am Stadtrand von München finden kann. Ich setzte mich in die fast leere Bahn an ein Fenster und versinke in Gedanken, aus die mich erst die Ansage "Nächste Haltestelle Marienplatz!" weckt vermag. Bewaffnet mit dem Schirm, um den Regen abzuhalten, gehe ich vom Ausgang der Haltestelle in Richtung Odeonsplatz. Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, die Kaufingerstraße für meinen Stadtspaziergang zu nehmen. Wenige Menschen kommen mir entgegen. Viele sind dick eingepackt und versuchen nur schnell in kleinen Grüppchen von Punkt A zu B zu kommen. Selten nur kommen einen glückliche Pärchen entgegen, die an einem sonnigen Sonntag nahezu ausschließlich die Stadt und umliegende Grünflächen zu bevölkern scheinen.
Aber es gibt noch die Anderen, die grundsätzlich alleine Unterwegs sind. Sie suchen in den fast leeren Straßen das selbe wie ich.
Im Marienhof sitzt ein Schwarm von kleinen Spatzen in einem blattlosen Busch. Sie spielen miteinander, wobei ihnen Regen und Kälte nichts anhaben zu scheinen können. Ich bleibe stehen und sehe ihren Treiben zu. Sie sehen so unbeschwert aus, wobei ich mit ihnen nicht tauschen wollte. Sicher sie können fliegen und müssen sich nicht so viele Sorgen über Geld, Beziehungen usw. machen, aber das Motto "survival of the fittest" ist auch keine Lebensatmosphäre bei der ich mich wohlfühlen würde.
Während diese Gedanken noch in meinem Kopf nachklingen, realisiere ich, dass mir diese Tierchen noch nie bei der sonst im Trubel versinkenden Stadt aufgefallen sind. Ich gehe weiter.
Die Straßenbahn, die laut rumpelnd meinen Weg kreuzt, erscheint einem in diesem Grau wie ein geschmückter leuchtender Baum zu Weihnachten. Die hellen Scheiben mit bunt angezogenen Menschen dahinter, die roten Rückleuchten, das Quitschen der mechanischen Gelenke in der Kurve, all dies stört für einen Moment die Illusion des stehen gebliebenden Puls der Stadt.
Doch der Kontrast, gibt auch diesem Zeitpunkt eine unbeschreibliche Ästhetik. Denn er errinert einen an die bunten sonnigen Tage, die man selber erlebt hatte.
Selbst bei dichten, tief hängenden Wolken strahlt das Gelb der Theatinerkirche. So oft habe ich diese Fassade im strahlenden Morgenlich vor einem anstrengenden Lerntag in der Staatsbibliothek gesehen, nachdem ich die Treppen an die Oberfläche der Haltestelle Universität genommen hatte. Diese Farbe gab mir immer Kraft und es graust mir davor, dass manche lieber ein weißes Grau an selber Stelle sehen wollen.
Ein Blick in Richtung Siegestor. Den Spruch der auf der anderen Seite aufgebracht ist, sollten sich viele mal zu Herzen nehmen.
Ich drehe mich um in gehe links an der Feldherrenhalle vorbei. Ein mal kurz nebensächlich die Schnauzen der seit neuerdings ersetzten Löwen gerieben (Glück kann man ja immer gebrauchen) und den Weg fortgesetzt als wäre nichts gewesen. Meine Gedanken fliegen wie Metallspänen zu einen Magneten gleich, an Erlebnisse und Momente bei der man sein Herz hervorgegraben hatte. Man fragt sich oft, was wäre gewesen wenn ich so und nicht anders reagiert hätte. Vor der Oper kreuzt dieses mal kein Metallwurm auf Rädern meinen Weg. Einen Blick die Maximiliansstraße herunter bis zum "bayrischen Machtzentrum". So viel Prunk an einem Ort. Wie ungerecht diese Welt doch ist. Ich setzte meinen Weg fort. Immer wieder löse ich in meinem Kopf alle meine Problem und die der Welt und verwerfe diese unrealistischen Gedanken kurz darauf.
Ich bleibe stehen. Die Tauben haben sich unter einem Dach untergestellt. Sogar ihnen sagt dieses regnerische Wetter nicht zu.
Auch mir ist inzwischen kalt geworden. Meine Füße spüren schon langsam die Feuchtigkeit, die mein Schuh vor dem Eindringen nicht abhalten konnte. Deswegen setze ich mich in ein Café und bestelle mir einen Tee.
An der warmen Tasse wärmend denke ich mir, dass ich mal wieder gefunden habe was ich nur an einem regnerischen Sonntag im Zentrum finden kann:

Die entschleunigte Stadt

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