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3x „Als ich dich kennen gelernt habe dachte ich...“

Text: buntstiftsuechtig

1x



„Als ich dich kennen gelernt hab dachte ich, dass du langweilig bist.“ Wir kannten uns vorher schon ein wenig, aber erst als wir zum ersten mal gemeinsam in einem Kurs waren, genauer gesagt in der Kollegstufe im Englisch LK hatten wir mehr miteinander zu tun. Dass ich immer nur zuhause rumhängen würde und nichts interessantes mache und keine Hobbys habe. Aber diese Behauptung vernachlässigt den Aspekt wo ich wohnte, in einem kleinen Kaff und ich längere Busfahrten nun mal auch hasse. Erst als wir mehr in einer Gruppe zusammen weggingen und ich endlich 18 war und damit Auto fahren konnte hast du gemerkt, an wie vielen Dingen ich eigentlich interessiert bin und wie gerne ich reise und in welchen Ländern ich schon Dank meiner Eltern war. Ich fand dich schon immer interessant und irgendwie cool und hab daher den innerlichen Wunsch gehegt mit dir befreundet zu sein.



In der Zwischenzeit – innerhalb von 3 Jahren – haben wir einige gemeinsame Reisen durch Urwald und Häuserschluchten hinter uns und keiner muss mehr über den anderen etwas denken.



2x



„Als ich dich kennen gelernt habe dachte ich, dass du komisch bist.“ Wir waren zusammen auf der Rückfahrt von Ikea auf der Autobahn. Einfach so aus Spaß waren wir dort und haben einen Tag der Semesterferien dort verbracht und krimskrams für unsere Wohnungen gekauft. Du warst schon immer der Typ der sehr cool sein wollte und im ersten Semester hab ich das auch versucht. Cool zu sein. Was dann wohl komisch rüber kam, jedenfalls bei dir. Man kannte sich vom sehen, aber auf der Straße hast du mich keines Blickes gewürdigt. Erst nachdem wir zusammen den gleichen Kurs durchlitten wurde es besser. Du hast ein paar Erkenntnisse über dich selber und andere Menschen getroffen. Du hast gemerkt, dass mein „komisch sein“ oft auch hilfreich ist über komplexe Themen auf einer anderen Ebene zureden. In manchen Momenten findest du mein Verhalten immer noch komisch, aber das ist für und beide jetzt ok und wir lassen den Moment nur kurz verweilen und dann wieder los.



3x



„Als ich dich kennen gelernt habe dachte ich, dass wir nie ein tiefer gehendes Gespräch miteinander haben könnten.“ Wir sitzen gerade in der Küche, ich bin das erste mal in deiner Wohnung und wir backen Muffins für einen gemeinsamen Freund. Dazu muss ich sagen, dass ich das gleiche Gefühl hatte. Du hast dich als wir uns kennen lernten unter so einer harten Schicht von „I don’t care, ich will möglichst schnell zurück in meine Heimat“ vergraben, sodass es schwer fiel etwas über dich heraus zu finden. Irgendwann hat dir jemand den Spiegel vorgehalten und ein Knoten ist bei dir geplatzt und du bist aktiv geworden. Ich freue mich, dass ich ein Teil deines Aktivismus geworden bin und du, so scheint es, ehrliches Interesse an Menschen zeigt. Mittlerweile weiß ich viel über dich und wir haben starke, kontroverse Meinungen ausgetauscht. Du sagt nicht mehr spontan Freunden ab, sondern schlägt auch was vor. Es ist nicht mehr nur ein Nehmen, sondern du gibt auch und auf dieses Geben haben wir unsere vielen tief gehenden Gespräche gebaut.



 



Für den größten Teil meiner Bekanntschaften bin ich wohl kein offenes Buch und das will ich auch nicht sein, denn ich habe nicht die Energie mich jedem zu erklären und oft genug verstehe ich mich und meine Aktionen selber nicht bzw. erst im nachhinein. Diesen Menschen ging es so, dass sie erst nach einem Jahr merkten was ich bin und was ich nicht bin. Und sowohl bin ich gleichzeitig froh, dass sie inzwischen unsere Beziehung als so geborgen sehen, dass sie sich meiner anvertrauen nachdem unserer kennenlernen unter schlechten Sternen stand, als auch irgendwie erschrocken.



Diese 3x „Als ich dich kennengelernt habe dachte ich..“ waren nicht die einzigen, aber diejenigen, die mir in Erinnerung geblieben sind, da sie mir persönlich wichtige Menschen sind. Und es werden auch nicht die letzten „Als ich dich kennengelernt habe dachte ich...“ sein.

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