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Der Moment

Text: Schwatzwaldkirsche

An einem Novembermorgen vor einem Jahr stand ich in meinem liebsten Berliner Kiez auf einem kleinen Wochenmarkt, Kopfsteinpflaster unter den Füßen, der Himmel bewölkt, vielleicht war es kalt. An den Ständen lagen Adventskränze aus, alle waren warm eingepackt, auch mein Kind, das neben mir auf einem blauen Laufrad fuhr, hatte eine Mütze unter dem Helm und rote Handschuhe, die aus seiner Jacke hingen.



Ich hatte ein bisschen Gemüse gekauft und ging nun zu einem neuen Stand, an dem zwei junge Verkäufer standen. Es war ein schöner Stand mit einem roten Dach, es sah ein bisschen aus wie ein Baldachin, nach oben hin lief es spitz zu und beschützte so die Leute, die bei den jungen Herren Kaffee kauften, Biokaffee aus fairem Handel, es gab keine Pappbecher, denn hier ging es um Nachhaltigkeit. Ich kaufte einen Cappuccino und das Kind bekam zwei Kekse und wir kamen ins Gespräch. Welche Art von Milch sie verwendeten (Demeter, nicht homogenisiert), was ihre Pläne für die Zukunft seien (zunächst mal hier, später vielleicht auch in Kreuzberg ein eigenes Café), wo sie studiert hatten (Barcelona) und was sie so mochten an Berlin (vieles).



Auch ich schwärmte und fühlte, wie glücklich ich war. Eine Mutter in den 30ern mit einem Kind, das noch nicht drei Jahre alt war, in der einzigen Stadt, in der sie sein wollte, mit Bäumen, die jetzt fast keine Blätter mehr hatten, mit einem kalten Wind, der die ganze Klarheit des Winters in sich trug. Wir unterhielten uns und es wurde ein Flirt daraus, ganz sachte, aber auch deutlich. Ich trank noch einen Kaffee.



Dann ging ich los, glücklich, leicht, zum ersten Mal sicher, dass es noch mehr geben würde in diesem Leben als alleine mit Kind zu sein, aber vor allem glücklich mit mir, mit dieser Stadt, dem Suchen und Finden: bei Weiterbildungsveranstaltungen, in Kindercafés, in der Kita, auf unebenen Wegen mit weitem Horizont. Es begann jetzt zu nieseln.



Als wir auf dem Weg zurück nach Haus waren, klingelte das Telefon und meine ehemalige Kollegin und jetzige Freundin Ulrike war dran. Sie plauderte ein bisschen, dann fragte Sie: Ich wurde gefragt, ob Du noch Interesse an einer Stelle hier im Süden hättest? Wenn ja, würde der Referatsleiter Dich bald anrufen.“ Ich legte dann auf und stand auf der Straße, die ich so liebe und war den Tränen nah. Würdest Du ab sofort wieder weg gehen? Eine Stelle  antreten? Zurück zu Mann und Haus?



Ich sah die Straße, ich sah die Menschen, ich sah alles, was ich wollte und liebe und ich sagte: Ja.



In der nächsten Woche fuhr ich zurück.



 

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