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Jungs, habt ihr Angst vor der Midlife-Crisis?

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Hallo Jungs!

Jetzt seid ihr ja noch Jungs. Aber bald schon werdet ihr Männer sein und dann Alt-Männer, ihr wisst schon, mit grauen Nasen- und Ohrenhaaren und vielleicht, wenn es richtig ungünstig kommt, auch noch mit dickporigen Tränensäcken und Hängebrüsten, eingefallenen Flachpos in der Hose und so weiter. „Whatttttt?,“ denkt ihr jetzt, „wie sexistisch von euch, Mädchen!“

Aber ihr wisst es doch auch. Die Chance, dass es bei euch so exzellent läuft, wie bei den Jep Gambardellas und George Clooneys dieser Welt, ist nun einmal sehr gering. Man sagt das immer so leichtfertig: „Mit Männern ist es wie mit gutem Wein: je älter, desto besser!“. Dass das mehr romantische Legende als allgemeingültige Wahrheit ist, kann man jeden Tag in der S-Bahn beobachten. Und an der Ampel. Und an der Leberwursttheke und in den Talkrunden im Fernsehen.

Glücklicherweise kommt es jetzt bei uns allen gar nicht so aufs Außen an, sondern auf die Haltung untendrunter. Wenn ihr also innen drinnen die Würde bewahrt, ist das Äußere auch wurscht. Gilt für uns Frauen schließlich auch.

Aber wem gelingt das schon? Zwischen 35 und 55 befällt den Menschen nun mal diese innere Krise, die ihm seine Vergänglichkeit so schmerzhaft bewusst macht. Frauen lassen sich im schlimmsten Fall so lange operieren, bis sie aussehen wie Aliens, Männer kaufen sich eine Harley und brennen mit der jungen Kellnerin mit Vaterkomplex durch. Und werden dafür allerhöchstens von den Berlusconis unter ihren Freunden bewundert. Der Rest aber weiß, was diesen Midlife-Männern viel später selbst aufgehen wird, abends am Lagerfeuer mit dem jungen Mädchen, das nur von Musik und Trends redet, die der arme alte Mann nicht mehr versteht: Dass das ja alles doch nicht hilft. Nicht für die Selbstachtung und nicht gegen den Tod.

Und da sitzt er dann, der Midlife-Mann und guckt auf die zarten Lider des Mädchens in seinen Armen und spürt sein lädiertes Kreuz und die bleierne Lebensmüdigkeit und denkt leise in sich rein: Symptombekämpfung. Alles nur Symptobekämpfung. Wenn dieses Mädchen ihre erste Falte bekommt, bin ich schon unter der Erde.

Und dann sieht er sich von oben und denkt: Hoffentlich merkts keiner. Und dabei weiß er: Alle merken es. Und dann guckt er nicht mehr nach unten zu dem zarten Mädchen, sondern nach oben in den Himmel. Und denkt: „Ach, ich armes Würstchen.“

Habt ihr Angst vor so was? Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von jakob-biazza

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Antwort lautet „Ja!“ mit einem kapitalen J! Wir haben Angst. Vorher ist es aber gut, dass du mit dem Gambardella ankommst. Der Gambardella beruhigt ein bisschen. Toni Servillo, der den alternden Beau in [link=http://www.youtube.com/watch?v=Kpfp68w08jk]„La Grande Bellezza“[/link] spielt, hat unter seiner Stirnglatze schließlich auch noch diese Nase. Die Nase ist über die Jahrzehnte im Verhältnis zu den Ohren zwar wohl gleichgroß geblieben, im Verhältnis zum restlichen Gesicht damit aber eben nicht. Sie hat inzwischen beachtliche Ausmaße. Und wenn Servillo mit dem ganzen Gesicht lacht – und er lacht oft mit dem ganzen Gesicht –, wird sie auch noch etwas knollig vorne. Der Italiener ist also kein objektiv schöner Mann. Auch kein wahnsinnig schön gealterter. Aber dieser Typ hat dabei eine Haltung bewahrt. Ich betone das so, weil das Szenario mit der jungen, faltenfreien Frau am Lagerfeuer ja auf den ersten Blick nicht unbedingt wie eine Strafe Gottes wirkt. Mit Mitte-Ende-Vierzig-Fünfzig-Sechzig noch die jungen Dinger verräumen: Ich gönne das jedem. Jedem Geschlecht übrigens auch, weil wir’s vergangene Woche ja von euch und eurem Berlusconi-Gefühl hatten. Das Problem dabei ist nicht, dass es passiert. Das Problem ist die Haltung, mit der es passiert.

 

Denn es ist ja so, dass du Recht hast: Der Clooney ist ein Zerrbild des männlichen Alterns. Man denkt an einen prächtig gereiften Mann, zack, flaniert er vor dem geistigen Auge vorbei. Und winkt einem seltsamerweise sogar da mit diesem gleichzeitig etwas ver- und trotzdem auch überlegenen Lächeln zu. Zum Kotzen der Typ. Wer so altert, der kann vielleicht auch noch viele, viele Jahre länger viele, viele Jahre jüngere Frauen am Arm tragen.

 

Wir werden eher nicht so aussehen später. Also bleibt uns, zurück zu Servillo, nur: Haltung.

 

Wenn ich das richtig verstanden habe, meint das unter anderem, der inneren Überzeugung entsprechend zu handeln. Dazu gehört wohl auch, (wenigstens privat) nur mit Menschen Zeit zu verbringen, mit denen man Leidenschaften teilt. Das erklärt auch, warum das manchmal schon geht und gut aussehen kann: Paare, bei denen einer viel jünger ist. Leidenschaften können ja auch Jahrzehnte überwinden. Wer sich aber mit Menschen aus Kalkül – oder schlimmer noch: Bedürftigkeit – umgibt, ist eine arme Wurst. Menschen, die sich etwas über hippe neue Trends anhören, die sie nicht mehr verstehen (oder mögen), nur, um etwas vorzugeben, das sie nicht mehr sind, gehören deshalb auch zum Traurigsten, was die Welt der sozialen Interaktion bereithält. Arme Würste haben keine Haltung.

 

Und all das zusammen, um endlich zum großen "Ja!" zu kommen, macht uns sogar eine Scheißangst. Keiner von diesen Leuten wird sich schließlich gesagt haben: Geieeeel, noch zehn Jahren oder 30 Zentimeter mehr Bauchumfang (je nachdem, was früher kommt), dann kann ich endlich der säftelnde, alte Typ werden, der ich schon immer sein wollte. Endlich mit dem Kaschmir-Pulli im Bauchnabel-Piercing einer 20-Jährigen hä;ngenbleiben und ihr dafür "Who's your daddy" ins Ohr raunen. Endlich den coolen "SAMCRO"-Aufnäher aus der "Sons Of Anarchy"-Fan-Edition-DVD-Box an die Lederweste pinnen und – brumm, brumm – mit der Harley ausreiten. Es ist mit diesen Leuten passiert. Es passiert mit so vielen Leuten. Haltung im Alter: Ich fürchte, das ist ein sehr viel härterer Kampf als der gegen Bauch und Glatze.

 

Ich würde jetzt gerne etwas sagen wie: "Aber sorgt euch nicht, uns wird das nicht passieren! Wir haben die Selbstreflektion mit der sauren Muttermilch aufgesogen! Wir ziehen die Notbremse, bevor das kommt."

 

Aber das wäre vermessen. Und damit jetzt schon weit weg von Haltung.

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